Heute möchte ich den Besuchern meines Blogs Frau Dr. Maria Hobl vorstellen. Als leidenschaftliche (Viel-) Leserin hat sie sich bereiterklärt, die Anthologie ‘Geheimnis’ zu rezensieren.
Sie wird ihre Eindrücke in mehreren Etappen vorstellen.
Und hier die ersten sechs Geschichten …
Vielleicht – von Manuela Trummer
Ein Junge, der auf den neuen Mann seiner Mutter eifersüchtig ist, begeht unbesonnen eine ziemliche gemeine Untat. Er findet dann aber auf den richtigen Weg zurück – ohne dieses Happy End hätte ich die Geschichte interessanter gefunden.
Mutterleid – von Nasanin Kamani
Eine Frau wartet in Corona-Zeiten alleine auf ihren Schwangerschaftsabbruch und reflektiert dabei ihre Beziehungen und ihre Vorstellung, wie ihr Leben nicht sein soll. Die Sprache wirkt hektisch und ist mit vielen internet-affinen Elementen durchsetzt. Trotzdem bleibt man nicht unberührt.
Der Balkon, seine Bühne – von Barbara Schilling
Ein Mann zeigt sich gerne auf seinem Balkon. Alles was wir von ihm erfahren ist reine schöne Oberfläche. Auch seine Beziehung ist seelenlos und endet – leider ziemlich vorhersehbar – abrupt. Die Sprache dieser Geschichte ist ebenso glatt wie der Mann auf dem Balkon – nicht ungeschickt, eher im Stil eines Hochglanzmagazins.
Knarzende Dielen – von Leon Alexander Schmidt
Eine alte Freu denkt an ihrem “Geburtstag” an eine Nacht zurück, in der sie mit ihren Leidensgenossen einen Befreiungsschlag gewagt hat. Die Geschichte ist – bei aller Knappheit – von großer Intensität.
Die Frau im Fenster – von Iris Geyer
Ein junger Anwalt – noch ungebunden aber mit einer leisen Sehnsucht nach Liebe und Familie – sieht im Morgenlicht seine neue Nachbarin am Fenster. Sie fasziniert ihn, er verliebt sich in sie. Auch ein seltsames Geheimnis, das sich ihm bald enthüllt – ändert daran nichts.
Ich habe den Eindruck, dass die Autorin hier einen Mann beschreibt, denn sie sich so wünschen würde!
Pepescha – von Michael Heine
ein Mann erinnert sich nach dem Tod seiner Mutter an seine gemeinsame gefahrvolle Flucht am Ende des 2. Weltkriegs aus dem Osten Deutschlands. Bei der Sichtung ihres Nachlasses enthüllt sich ihm ein Geheimnis, dass alle Gewissheit seiner Erinnerung zerstört. Der Autor gibt der Geschichte einen märchenhaften Ton, der ihr sehr guttut.
Hier kann man in eine der Gewinnergeschichten des ‘Grassauer Deichelbohrer 2020’ reinhören – die Autorin Daniela Esch liest aus ihrer Geschichte ‘Was du nicht siehst’.
Geschichten aus dem Leben sind oft heftiger als der Roman erlaubt! Das glauben Sie nicht? Ich will es Ihnen beweisen …
Im Zuge eines Lektorats wies ich eine Autorin freundlich darauf hin, dass manchmal weniger mehr ist:
Die Dinge nicht ständig wiederholen, denn die Wiederholung macht sie nicht glaubwürdiger, vielmehr ermüdet sie den Leser.
Überflüssige Informationen einfach weglassen.
Und besser etwas weniger Sentimentalität (das Wort Kitsch wäre passender gewesen, aber ich hielt mich zurück).
Worauf sie mit weinerlicher Stimme antwortete: „Aber das ist wirklich passiert!“
Nach diesem Telefongespräch fiel mir folgende Geschichte aus meinem eigenen (Autoren-) Leben ein, die ich heute amüsant finden kann, damals allerdings nicht:
Ich hatte eine Freundin, die der Liebe wegen von Bayern nach Berlin gezogen war. Die Zeit vor unserer räumlichen Trennung gestaltete sich schon ‘irgendwie schwierig‘, danach wurde es nicht besser. In all unseren Briefen und Telefonaten ging es meist um ihre Beziehung, die nicht so lief, wie sie sich das vorstellte. Ehrlich gesagt hatte ich nie verstanden, was sie an diesem langaufgeschossenen, schlaksigen Weltverbesserer so großartig fand, der nach dem Motto lebte: Lieber alternativ sein als gar nichts tun!
So vergingen zwei Jahre, in denen wir uns nicht gesehen, nur geschrieben und telefoniert hatten. Dann rief sie eines Tages an und fragte: „Dürfen wir euch mal besuchen? Am liebsten gleich nächsten Sonntag, ab Samstag haben wir nämlich Urlaub. Und wir bleiben dann so etwa eine Woche.“
Ich war einverstanden. Wenn auch zögernd. Nur ein Aber: „Du weißt ja, auch wenn ich zu Hause bin, ich muss arbeiten (ja, auch Schreiben ist Arbeit!!!). Ich habe also nur an den Abenden Zeit für euch.“
„Macht nichts!“, rief meine Freundin fröhlich, „wir brauchen ja bloß eine billige Urlaubsadresse.“
Da fiel mir die Kinnlade runter. Bloß eine billige Urlaubsadresse?! Hatte sie das wirklich gesagt? Eigentlich hätte ich an dieser Stelle sofort aufbegehren müssen, aber ich war so fassungslos, dass mir die Worte im Halse stecken blieben.
Als ich meinem Mann davon erzählte und überlegte, ob ich sie anrufen sollte, um sie wieder auszuladen, schüttelte er den Kopf, meinte: „Das hast du bestimmt falsch verstanden! Sie hat sicher nur Spaß gemacht!“ Ich verstand allerdings den Witz bei der Sache nicht.
Sie kamen pünktlich, aber mit leeren Händen. Nicht mal eine Flasche Billigwein vom Discounter hatten sie als Gastgeschenk im Gepäck oder wenigstens ein selbstgepflücktes Blümchen. Dafür war der Reifen eines ihrer beiden Motorräder kaputt, und sie benutzten unser Auto samt dem darin befindlichen Benzin, um vierzig Kilometer entfernt einen neuen zu beschaffen. Sie benutzten auch unser Telefon, unsere Handtücher, unsere Terrasse, unser Gästezimmer, unsere Badewanne und kochten sogar einmal für uns – allerdings mit Zutaten aus unserer Gefriertruhe.
Sie waren schon ein paar Tage unsere Gäste, als ich meine Freundin bat, mir eine Tasse Kaffee ins Arbeitszimmer zu bringen. Es war acht Uhr abends, und ich saß immer noch am PC, weil ich einen dringenden Abgabetermin hatte. Sie brachte mir den Kaffee, wies mich jedoch verärgert darauf hin, dass sie nicht meine Bedienstete und dies schließlich ihr sauerverdienter Urlaub sei. Und überhaupt, erklärte sie mir später am Abend, sei mein Egoismus unerträglich. Immerzu wolle ich Recht haben, und immerzu müsste ich die erste Geige spielen.
Gewöhnlich standen mein Mann und ich morgens als erste auf und machten Frühstück für uns und unsere ‘Gäste‘. Doch am nächsten Morgen schliefen wir ausnahmsweise mal etwas länger. Als wir ins Esszimmer kamen, saßen meine Freundin und ihr Liebster bereits beim Frühstück – allerdings hatten sie nur für sich gedeckt, Eier gekocht und Kaffee aufgebrüht.
Am vorletzten Abend ihres Besuches verklickerten mir die beiden schließlich, dass ich ganz schön spießbürgerlich geworden sei, mit meinem gepflegten Vorgarten und meinem Bestreben, mich ins hiesige, kleinkarierte Dorfleben einzuordnen. Und dass ich schon an nichts Anderes mehr denken könnte als immerzu nur an Arbeit! Ob mir denn gar nicht auffällt, dass ich intellektuell völlig verkümmere, wahnsinnig gestresst sei und fortwährend nur herumhetze? Arbeiten, arbeiten, arbeiten! Und selbst wenn ich nicht arbeite, würde ich noch arbeiten! Wäsche waschen, aufräumen, putzen! Und dann nachts Baldrian schlucken, damit ich schlafen kann! Ob ich denn glauben würde, dass das gesund für mich sei? – Also für sie beide wäre das jedenfalls nichts, erklärten sie mir. Sie bräuchten schon ab und zu mal ein bisschen Zeit für sich selbst und ihre Bedürfnisse. Für ihr Hobby zum Beispiel, die Motorräder – die sie im Übrigen nach jeder Fahrt mit so viel Leidenschaft blitzeblank putzten, wie Spießbürger Karlchen Müller sein neues Auto!
Ich verwies eingeschüchtert auf unsere finanzielle Situation (mein Mann war damals arbeitslos), die ich eben nur meistern könne, indem ich fleißig arbeite, und bekam prompt eine einleuchtende Antwort:
„Da müsst ihr halt eure Ansprüche runterschrauben! Das tun wir ja schließlich auch!“
Es war nämlich so – meine Freundin jobbte seit kurzem nur noch halbtags, weil sie mehr Zeit für ihre Selbstfindung brauchte, und ihr Freund ließ sich umschulen, weil ihm der alte Job schon lange stank. Deshalb mussten die beiden jetzt mit viel weniger Geld auskommen. Und deshalb konnten sie sich auch keinen Urlaub mehr leisten. Aber wie ich sehen konnte, ließ es sich ja auch so ganz gut leben! Man musste eben nur die bürgerlichen Zwänge abstreifen und sich gegen den ewigen Alltagsstress wehren! Wie hieß es doch bei den 68igern so schön: Macht kaputt, was euch kaputt macht!
Diese Geschichte liegt nun dreißig Jahre zurück und ist wirklich passiert. Heute würde ich die beiden knallhart raussetzen, aber damals hat mich das irgendwie überrollt.
Nun gut, kommen wir zum eigentlichen Thema zurück, dem Schreiben nämlich.
Ich habe dieses Erlebnis in einem meiner (heiteren) Romane mit einer Prise Ironie aufgearbeitet. Ich habe nichts hinzugefügt und nicht übertrieben! Kommentar einer Leserin: „Der Roman hat mir gefallen, bloß die Sache mit der Freundin fand ich schon sehr übertrieben.“
Und was lernen wir daraus?
Richtig: Die Geschichten, die das Leben schreibt, sind mitunter heftiger als der Roman erlaubt. Also lässt man sie besser weg, denn das glaubt einem doch keiner!
Mit den Zufällen verhält es sich übrigens ähnlich. Obwohl die dramatischen Schicksalsschläge meist mit einem simplen Zufall verknüpft sind, sollte man beim Schreiben immer eine ‘vernünftige‘ Begründung für solche Zufälle im Ärmel haben, damit es die Leser auch glauben …
Und schon ist die erste Rezension zur Anthologie ‘Geheimnis’ veröffentlicht – zu finden auf Yvonne Tunnats Blog Rezensionsnerdista. Da hat sie sich echt viel Mühe gemacht, zu jeder Kurzgeschichte einen kleinen Abriss geschrieben.
‘Geheimnis‘ war das Thema für den Literaturwettbewerb Grassauer Deichelbohrer 2020. Die sechs Nominierten, die es auf die Shortlist schafften, waren zur Preisverleihung am Samstag, den 10. Oktober in die Villa Sawallisch in Grassau eingeladen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde aber kurzfristig beschlossen, die Preisverleihung auf Samstag, den 6. März 2021 zu verlegen.
Die Anthologie zum Wettbewerb – eine Zusammenfassung der 30 Geschichten, die auf die Longlist kamen – erschien jedoch wie geplant. Sie ist bereits jetzt bei den meisten Internethändlern als Buch oder E-Book erhältlich, aber auch Ihre BuchhändlerIn kann sie über den Großhändler bestellen.
Geheimnis – Anthologie Grassauer Deichelbohrer
ISBN E-Book: 9783946280644 / 978-3-946280-64-4
ISBN Buch: 9783946280651 / 978-3-946280-65-1
ASIN – B08JZC34M1
320 Seiten kosten 12,99 € als Buch und 5,99 € als E-Book
Ein Corona-Fortsetzungs-Roman-Projekt von Bremer Autor*innen und dem Bremer Literaturkontor.
Das Jahr 2020 steht bislang ganz im Zeichen von COVID-19. Das Virus hat den Alltag fest im Griff und wird auch in den kommenden Wochen und Monaten unser Leben mitbestimmen.
Existenzängste, Home Office und Kinder(not)betreuung, die Frage nach der eigenen Systemrelevanz, Sorge um geliebte Menschen, die eigene Gesundheit und das System Demokratie sind für Menschen weltweit Realität geworden. Gesundheit wird zur politischen Frage, aber auch zur persönlichen Pflicht. Was für viele Menschen eine Krise ist, darin sieht jemand anders vielleicht eine Chance. Manche/r fühlt sich in seiner Existenz bedroht, andere erfinden sich neu.
Sechs Bremer Autor*innen setzen sich mit dem Thema nun literarisch auseinander, jeder für sich, ein stückweit gemeinsam, auf jeden Fall aber: Mit Abstand.
Der virtuelle Schreibprozess spiegelt die (Nicht)Begegnung der Gesellschaft in Zeiten verordneter Distanz wider. Die Autor*innen schreiben, suchen, dokumentieren, (hinter)fragen, tasten sich heran an die „neue Realität“ und an die eigene, veränderte Rolle in Kunst, Gesellschaft und Familie.
Der Titel „Gregor Samsa sind ich“ ist der Figur aus der Erzählung „Die Verwandlung“ (Franz Kafka) entliehen. Eines Tages wacht der Protagonist auf und stellt fest, dass er sich über Nacht in einen riesigen Käfer verwandelt hat – ein Umstand, mit dem er von nun an leben muss.
Vom Corona-Virus ist jedoch, im Gegensatz zu Kafkas Geschichte, nicht nur eine Einzelperson und ihr engeres System betroffen, sondern eine ganze Gesellschaft. Somit steht Gregor Samsa stellvertretend für das Erwachen und Sich-Zurechtfinden-Müssen in einem veränderten, verwandelten Alltag.
Seine letzte Bahnfahrt
Neun Ladykrimis
von Ronda Hendrikus
E-Book
Neun spannende Ladykrimis von Ronda Hendrikus. Je etwa eine Dreiviertelstunde Lesevergnügen, gerade gut für die MIttagspause, die Bahnfahrt oder abends vor dem Schlafengehen …
Seine letzte Bahnfahrt
Die zweite Frau
Die große Chance
Süßes mit Gift
Frau Helgers Großneffe
Ein Collier, das es in sich hat!
Karibische Nächte
Die Heiligen Drei Könige
Das Au-pair-Mädchen
Ein Privatdetektiv, der spurlos verschwindet, ein Ehemann, der sich als Mörder entpuppt, Erpressung, Betrug und Einbruch … den Leidtragenden dieser Geschichten bleibt wohl nichts erspart. Doch auch die Ermittler sind nicht von gestern und kommen den Tätern fast immer auf die Spur.
David Erler startete eine Petition, bei der es um “Hilfen für Freiberufler und Künstler während des “#Corona-Shutdowns” geht. So half er mit, Politik und Öffentlichkeit auf die existenzielle Bedrohung ganzer Berufszweige im Bereich Kunst und Kultur aufmerksam zu machen.
In einem öffentlichen Brief wendet sich David Erler nun an alle Unterzeichner und Unterstützer der Petition, die bereits eine Woche nach Beginn beim Petitionsausschuß des Bundestages und beim Bundesfinanzministerium eingereicht wurde.
Ihr habt entscheidend dazu beigetragen, schreibt er darin, dass in den Verhandlungen und Verlautbarungen zu den Maßnahmenpaketen von Bund und Ländern fast immer auch FreiberuflerInnen, Solo-Selbständige, Kunst- und Kreativschaffende ausdrücklich genannt und mitgedacht wurden. Daß sich hier fast 280.000 direkt oder indirekt Betroffene zusammengeschlossen haben, hat Gewicht!
Die Petition liegt zwar an den entscheidenden Stellen vor, doch leider wurde bislang eine persönliche Übergabe – sei sie auch nur symbolischer Natur – verwehrt, trotz verschiedener Anläufe und Ideen. Mit dem Team von openPetition und mit Hilfe manch wertvoller Hinweise aus dem Kreis der Unterstützer bleibt Davind Erler aber nach wie vor am Ball!
David Erler wird deshalb die Petition weiterhin zur Mitzeichnung offenhalten und bittet: Verbreitet sie weiter und werbt für unsere Anliegen, die von so unglaublich vielen Menschen getragen werden!
Er möchte erreichen:
– daß es eine persönliche Übergabe der Petition geben kann, um aus der Politik ein deutliches Zeichen zu bekommen, daß unsere Anliegen wirklich gehört, fast 280.000 Unterzeichner wirklich gesehen werden; – daß in Öffentlichkeit und Politik nicht der Eindruck entsteht, daß uns mit der „Corona-Soforthilfe“ nun schnell und erschöpfend geholfen wäre; – daß es klare Aussagen gibt, ob bei Bedarf eine Verlängerung der Hilfsmaßnahmen erwogen wird, da uns derzeit niemand sagen kann, wann wir unsere Berufe wieder in mehr oder weniger „normalen Bahnen“ ausüben können werden; – daß die Hilfsmaßnahmen schnell und ohne „Hintertürchen“ bei den Betroffenen ankommen, daß – besser noch – die angesprochene Entschädigungs-/Gewinnausfallvergütungslösung in Erwägung gezogen wird, oder daß (und das ist mein Idealziel) aus dem föderalistischen Flickenteppich am Ende doch ein echtes Grundeinkommen für die Zeit der Krise gemacht wird – damit ALLEN Betroffenen geholfen wird. Denn es betrifft ja nicht nur uns Freiberufler und Kreativschaffende.
David Erler ist vor allem dankbar, daß wir alle in diesen Zeiten zusammenstehen. Es ist ein bislang wohl einmaliger Vorgang, schreibt er in seinem Brief, dass sich so viele FreiberuflerInnen und Selbständige der verschiedensten Berufsgruppen und Kunstsparten zusammenfinden und sich gemeinsam stark machen. Ich danke jedem Einzelnen von Euch für das Vertrauen und die Unterstützung bis hierhin, es ist ein Privileg, stellvertretend für Euch sprechen zu dürfen! Laßt uns dieses „Gemeinschaftsgefühl“ wertschätzen und auch in die Nach-Corona-Zeit weitertragen. Und bis dahin: bleibt gesund und zuversichtlich!
Er hat einen Pressespiegel zusammengestellt, der über seine Arbeit informiert. Ihr findet ihn hier
Es ist so weit, Grassau schreibt den nächsten Deichelbohrer aus. Diesmal geht es um das Thema ‚Geheimnis‘. Es gibt eine neue Webseite, sie lautet www.literatur-grassau.de
Hier erfährt man alles, was wichtig ist – wer mitmachen will muss sich unbedingt an die Vorgaben halten.
Fuchs 8, so heißt der Held dieser Geschichte – ein Fuchs eben. Es ist ein kleines Buch von einem großen Autor, der viele Preise eingeheimst hat und 2013 vom Time-Magazin zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gezählt wurde. George Saunders hat mehrere Kurzgeschichtenbände, Essays, ein Kinderbuch und einen Roman veröffentlicht.
Fuchs 8 ist ein neugieriger, gescheiter aber leider auch sehr naiver Fuchs, der so viel mehr Vertrauen in uns Menschen hat, als ihm guttut.
Alles fängt damit an, dass ein großes Einkaufszentrum gebaut wird, für das der Wald verschwinden muss, in dem er mit seiner Fuchsmeute lebt. Der Hunger und die Sorge um seine Meute treibt ihn schließlich in dieses Einkaufzentrum, sein bester Freund begleitet ihn und … aber lesen Sie selbst.
Wie man die Geschichte ‘Fuchs 8‘ einordnen soll? Ich weiß es nicht so recht … Ein Kinderbuch, wie ich mal irgendwo gehört oder gelesen habe, ist es keinesfalls. Denn einmal abgesehen vom Inhalt, der sich doch eher an Erwachsene richtet: Fuchs 8 hat ‘Menschisch‘ nur durch Zuhören gelernt. Er versteht unsere Sprache, kann sie aber nur so schreiben, wie er sie hört. Trotzdem hat er seine herzzerreißende Geschichte für uns Menschen zu Papier gebracht, in der Hoffnung, uns aufzurütteln.
Die Sprache ist ein zwar gewagtes, aber auch kreatives Experiment. Denn wenn Fuchs 8 ‘Menschisch‘ schreibt, liest sich das so: So weit wir seen können, is alles platt, keine Boime . Wi wir zu unserm Flus trabten, war der auch gans kaputt, aufgrund weil so vil Drekk reingeschwemmt.
Das erscheint erst einmal schwierig, doch wenn man ein paar Seiten gelesen hat, hat man sich dran gewöhnt. Ich empfand das fuchsisch schreiben als eine kleine Exkursion in eine heitere und farbige Sprachwelt. Als Fotografin bin ich an Experimente mit dem Medium Bild gewöhnt und sehe oft erstaunlich Schönes. Experimente mit Sprache begegnen einem selten. Schade eigentlich …
Inhaltlich möchte ich Fuchs 8 einreihen in Bücher wie Der Kleine Prinz, Die Möwe Jonathan, Krambambuli oder die Geschichte vom Grubenpferd. Man wird vielleicht weinen, wenn man das Büchlein liest, aber es gehört zu denen, die man nicht vergisst.
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal.
Gebundene Ausgabe: 56 Seiten
Verlag: Luchterhand
Originaltitel: Fox 8: A Story
Preis 12.-€ / ISBN-13: 978-3630876207 / Auch als E-Book erhältlich / Zum Shop
Ein Ratgeber für Radreisende von Angeline Bauer und René Prümmel
Erfahrene Radreisende wissen: Mit dem Radfahren allein ist es nicht getan! Oft birgt die Anreise zum Ausgangspunkt beziehungsweise die Rückreise vom Ziel nach Hause oder zum Auto, das man irgendwo geparkt hat, größere Probleme. Hinzu kommen die vielen Dinge, die man sonst noch beachten muss, angefangen von der Reiseplanung bis hin zur passenden Ausrüstung. Zu all diesen Fragen gibt unser Ratgeber Auskunft und hat wertvolle Tipps parat. Und da wir selbst immer mit Hund unterwegs sind und auch diesbezüglich auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen können, haben wir für HerrIn und Hund auf Radreise ein zusätzliches Kapitel angefügt.
Ein kurzgefasstes Inhaltsverzeichnis:
An- und Abreise organisieren
Fahrradmitnahme im Auto, in öffentlichen Verkehrsmitteln – Bus, Bahn oder Flugzeug
Das Rad und alles was dazugehört
Pedelec contra Rennrad
Die optimale Gepäckausstattung für Ihre Radreise
Familien mit Kind und das Fahren mit Anhänger
So muss ein Transportanhänger für Ihr Kind/Baby ausgestattet sein
Sicherheitsvorkehrungen für den Fahrradanhänger
Die Route planen
Stadtbesichtigungen und Sightseeing
Kartenmaterial, digital und Papier
Übernachtung organisieren
Die angemessene Kleidung
Was ist erlaubt, was nicht – Verkehrsregeln
Tipps und Tricks beim Rad fahren
Abwehr von angreifenden Hunden oder anderen Tieren
Fotografieren und filmen unterwegs
Checkliste für Ihre Radtour
Erste Hilfe, Pannen und Notfallhilfe
Radreisen mit Hund – wichtige Tipps
ISBN BUCH: 978-3-946280-62-0 / Preis 8,99 €
ISBN E-Book: 978-3-946280-61-3 / Preis 4,99 € / ASIN: B0848HM8WC
Der Sohn des Sauschneiders – oder ob der Mensch verbesserlich ist
Ein Roman von Michael Lichtwarck-Aschoff
Das Buch hat mich gefunden, nicht umgekehrt. Gekauft hätte ich es mir vielleicht nicht, weil mich das Cover nicht wirklich anspricht und ich ein visueller Mensch bin. Doch was mir dann zwischen den Buchdeckeln begegnet ist, war wie einen Schatz entdecken. Eine Druse. Man findet den unscheinbaren Stein, schlägt ihn auf und staunt über das Funkeln im Inneren.
Es ist ein historischer Roman, der um 1900 im Österreichischen angesiedelt ist. In einem kleinen Dorf in der Krain und in Wien. Einerseits handelt es vom kargen Leben einer Sauschneiderfamilie – Sauschneider haben nicht nur Säue und Eber kastriert, sondern manchmal auch verbotenerweise Menschen behandelt. Andererseits spielt es im Vivarium, einer Institution in Wien, in der die Wissenschaft betrieben wurde.
Was ein Vivarium ist wusste ich auch nicht. Ich musste bei Wikipedia nachschlagen und erfuhr folgendes:
Das Wiener Vivarium war ein Schauaquarium, das anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 im Wiener Prater erbaut wurde. 1903 wurde es unter dem Zoologen Hans Leo Przibram in eine experimentelle Biologische Versuchsanstalt umgewandelt, in der auch der Biologe Paul Kammerer und kurzzeitig Alma Mahler-Werfel wirkten. Die Biologische Versuchsanstalt war eine der bemerkenswertesten wissenschaftlichen Einrichtungen Österreichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mehr als dreißig Jahre lang entstanden dort innovative wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der experimentellen Biologie.
Die Arbeit und das Scheitern von Hans Leo Przibram, Paul Kammerer und Alma Mahler-Werfel, die u.a. an der Seescheide, der Geburtshelferkröte, der Gottesanbeterin und dem Grottenolm forschten, ist die eine Sache, um die es im Roman geht. Die andere ist das Leben der Familie Meguşar, die ebenfalls scheitert, weil der Vater ein Träumer ist, die Mutter mit der ihr aufgebürdeten Last nicht fertig wird, und der Sohn, der Franz, um den es hier u.a. geht, eigentlich zu ehrlich und zu geradeheraus ist.
Bemerkenswert und anerkennungswürdig sind die der damaligen Zeit angepassten Sprache und die Erzählweise des Autors, der übrigens auch Mediziner ist. Zwar beginnt er mit der Geburt vom Franz, aber bald schon greift er vor, überspringt, kommt zurück, knüpft wieder an einer ganz anderen Stelle an. Irgendwann so mittendrin erfährt man dann auch, dass ein Freund vom Franz, der Erzähler ist, und dass er die Aufgabe übernommen hat, dessen Leben zu ordnen. Und das tut er gut, der Freund, dessen Namen man nie erfährt. Die einzelnen Lebens-Stücke werden von ihm zusammengetragen, geordnet und zu einem Ganzen zusammengefügt. Keine Frage bleibt unbeantwortet. Der Autor vergisst, wie man das von einem guten Schriftsteller erwarten darf, nichts und keinen auf der langen Wegstrecke bis zum Ende hin.
Was die Sprache betrifft, die Textgestaltung, da lässt man sich auf etwas ganz Ungewöhnliches ein. Ein Hauch von Mundart (für jeden zu verstehen). Kurze Sätze. Umgestellte Wiederholungen. Eine Sprache, die der simplen Art vom Franz und dem Erzähler seiner Geschichte gerecht wird und dabei ein Beweis ist, dass auch ein Hauch von Mundart Literatur sein kann!
Und zwischendurch dann Sätze wie der – so ungeheuer gescheit, dass man denkt, es haut einen gleich um:
Wenn man sich anstrengt, kann man sich die ganze Welt so zurechtdenken, dass alles, was existiert, die Lösung für ein Problem ist. Hörner, Flossen, Flügel, Unverschämtheit, Krieg und Pest, das muss alles sein, weil dafür gibt es ein Problem, das wunderbar passt, weil wir es passend gemacht haben. Ich gebe zu, auch ich habe ihn zweimal gelesen, um ihn zu verstehen. Und am besten wäre es wohl, man würde das ganze Buch zweimal lesen. Einmal, um die Geschichte zu erfassen, einmal für den tieferen Sinn.
Erzählen muss ich noch, dass es in dem Roman auch darum geht, ob ein Rindvieh unbedingt Hörner braucht, und dass der Franz hornlose Kühe züchten will. Dabei habe ich mich doch immer wieder einmal gefragt, ob Michael Lichtwarck-Aschoff nicht vielleicht mit den Rindviechern auch uns Menschen meinen könnte …
Zum Schluss will ich Ihnen nicht vorenthalten, was man im Deutschlandfunk über den Autor zu hören bekam: „Er vermittelt seinen Stoff bemerkenswert leicht, quasi durch die Hintertür. Er schreibt für Wissensdurstige.“
Und der SPIEGEL schrieb über ihn: „Dem Medizinier Michael Lichtwarck-Aschoff gelingt es, aus Momenten der Wissenschaftshistorie überaus lesenswerte Literatur zu schaffen.“
Apropos – für Mediziner müsste der zweite Teil seines Namens ein Begriff sein, denn sein Urgroßonkel Ludwig Aschoff hat im menschlichen Herzen eine Struktur beschrieben, die zum Reizleitungssystem gehört und seither der ‘Aschoff-Tawara-Knoten‘ heißt. So gibt es auch unter denen, die seine Bücher nicht kennen, viele Menschen, die einen Teil seines Namens im Herzen tragen, auch wenn die davon gar nichts wissen.
Um zum Schluss zu kommen: Im Nachhinein muss ich zugeben, dass auch das Cover stimmig ist. Es passt. Irgendwie.
Erschienen im Verlag klöpfer.narr
ISBN 978-3-7496-1005-1 Hier können Sie das Buch bestellen Beck-Shop
Eine Kurzgeschichte des Autors mit dem Titel ‘Eine schwache Liebe hebt besser als eine starke’ finden Sie in unserer Anthologie ‘Nähe‘ Verlag by arp
ISBN 978-3-946280-60-6 – Hier können Sie das Buch bestellen Beck-Shop
Wie jedes Jahr möchte ich mich bei euch, die meinen Blog verfolgen, mit einer Adventsgeschichte von Friederike Costa bedanken und euch fürs kommende Jahr nur das Beste wünschen.
Maikes Freund, der Nikolaus
Wir zogen von Hamburg nach Berlin. Die Wohnung, die wir auf die Schnelle gefunden hatten, lag in einem Mietshaus mit zwölf Parteien und gefiel uns gar nicht. Ich fand sie heruntergekommen und schäbig und war auch nicht bereit, mich hier auf längere Dauer einzurichten. Ich hing die alten Vorhänge auf, die zu kurz waren, nagelte kein einziges Bild an die Wand und gab mir auch keinerlei Mühe, die Leute im Haus kennenzulernen. Wir würden ja doch bald wieder ausziehen! Aber es wurde Sommer, es wurde Herbst, es wurde Dezember, und wir waren noch immer in dieser schrecklichen Wohnung.
Nur Maike, unsere damals sechsjährige Tochter, fühlte sich wohl und schloss sofort unzählige Freundschaften. Mit den russischen Aussiedlerkindern von unten, den zwei Studentinnen von nebenan, der ehemaligen Opernsängerin über uns, und mit einem jungen türkischen Mann, der, wie ich später erfuhr, seine Frau und seine kleine Tochter bei einem Autounglück verloren hatte und seitdem hier im Hause, bei seinem Bruder wohnte.
Aber all diese Freundschaften passten mir nicht. Ich hasste dieses Haus und verhielt mich engherzig gegen all seine Bewohner. Ganz besonders störte mich aber dieser Türke, denn ich verstand nicht, weshalb er sich ständig an Maike ‘heranmachte’ und unterstellte ihm alle Schlechtigkeiten dieser Welt. Deshalb verbot ich meiner Tochter dann auch, mit diesem Mann zu reden oder irgendetwas von ihm anzunehmen.
Ich ahnte nicht, dass sich Maike nicht an das Verbot hielt, bis ich sie eines Tages mit diesem Mehmet auf den Treppen zum Keller in ein Gespräch versteift sitzen sah. Ich zerrte sie von ihm weg, nahm sie mit in die Wohnung und verlangte zu erfahren, was sie da eben mit ‘dem Kerl’ geredet hatte.
Sie befreite sich aus meinem Griff und fuhr mich böse an, dass er ihr doch nur vom Heiligen Nikolaus erzählt hat, und dass der Heilige Nikolaus auch ein Türke war, aber dass das die deutschen Leute inzwischen vergessen haben. Und sie erzählte mir, dass Mehmet im selben Dorf geboren wurde, wie der Nikolaus, nämlich in Patara.
Da stand sie vor mir, sah mich an, hatte Tränen in den Augen und die Hände zu Fäusten geballt. Plötzlich schrie sie mich an: “Alle sind böse auf die Türken … und du auch!” Und damit lief sie in ihr Zimmer.
Ich war sehr betroffen. Meine Tochter hatte mir da eben vorgeworfen, dass ich Vorurteile gegen Ausländer und im Speziellen gegen Türken hätte, und ich konnte ihr nicht einmal widersprechen. Irgendwie schämte ich mich plötzlich, aber zugeben wollte ich das in diesem Moment noch nicht, dazu war ich viel zu verbohrt. Und dass der Nikolaus ein Türke sein sollte, also, das hatte ich ja noch nie gehört!
Irgendwie ließ mir das nun aber keine Ruhe mehr. Ich fragte meinen Mann, doch der wusste auch nichts davon. Ich fragte meine Schwester, die zufällig anrief, aber auch sie hatte davon noch nie gehört. Schließlich ging ich in die Bücherei und las in einem Buch über unsere Heiligen nach und tatsächlich, da stand: Der Heilige Nikolaus, Bischof von Myra, Freund und Wohltäter der Kinder, wurde im 4.Jahrhundert n.Chr. in Patara, einem kleinen Bergdorf geboren, das in der heutigen Türkei liegt.
Na und, meinte mein Mann nur, als ich es ihm erzählte. Er verstand nicht, weshalb ich das alles so wichtig nahm, und eigentlich verstand ich es ja selbst nicht. Aber ich glaube, es war, weil mich diese ganze Geschichte zwang, mich von einer Seite zu betrachten, die mir bisher nicht bewusst gewesen war. Einen Türken, der im 4.Jahrhundert lebte, feierten und verehrten wir jedes Jahr, haben ihn sogar heiliggesprochen, und er ist für uns Symbol des Guten und der Liebe zu den Kindern. Aber einen jungen Mann, der sechzehnhundert Jahre später aus eben demselben Dorf kam, nahm ich seine Herkunft übel, so übel, dass ich ihn schnitt und ihm den Umgang mit meiner Tochter verbot. Was war nur los mit mir? Glaubte ich etwa, etwas Besseres zu sein?
Zwei Tage später war der 5.Dezember und Maike stellte vor dem Schlafengehen ganz aufgeregt ihre Stiefel vor die Tür. Anschließend brachte ich sie ins Bett, las ihr noch ein Märchen vor, deckte sie zu und küsste sie. Dann schlich ich mich leise hinaus und zur Wohnungstür, vor der Maikes Stiefel standen, die gefüllt werden mussten – denn wenn Maike auch nicht immer gefolgt hatte, so war sie doch ein braves Kind, das hatte ich inzwischen begriffen!
Ich öffnete vorsichtig die Tür und hätte vor Schreck beinahe laut aufgeschrien, als ich mich unvermutet Mehmet, dem Türken aus Patara gegenübersah. In seinen Händen hielt er eine kleine Puppe, die mit türkischer Tracht bekleidet war, und die er wohl gerade in Maikes Stiefel stecken wollte.
Er erschrak ebenso wie ich, als ich so plötzlich vor ihm stand, und auf seinem Gesicht stand das schlechte Gewissen so deutlich, wie ein drei Tage alter Bart. “Bitte nicht böse sein”, sagte er, und dann mit gesenktem Blick: “Ich weiß, Sie mögen mich nicht und haben vielleicht Angst, weil ich oft mit Maike zusammen bin. Aber wissen Sie, ich hatte auch eine kleine Tochter, so alt wie Maike, aber sie und meine Frau sind tot, verunglückt.”
Ich sagte nichts, ich war viel zu perplex und wohl auch beschämt. Da drückte er mir wortlos die Puppe in die Hand und lief die Treppe hinunter.
Als ich am nächsten Morgen in Maikes Zimmer kam, hatte sie die Stiefel längst hereingeholt. Vor ihr ausgebreitet lagen die Schätze, die der Nikolaus ihr dagelassen hatte: Obst, Schokolade, Buntstifte und eine Puppe, die mit türkischer Tracht bekleidet war. Sie hielt sie mir stolz entgegen, und ich bewunderte sie lächelnd. Es war ja auch wirklich eine ganz besonders schöne Puppe!
Noch am selben Tag begann ich Bilder in unserer Wohnung aufzuhängen. Ich kaufte Borten, um die Vorhänge zu verlängern und besorgte Tannenzweige zum Schmücken der Wohnung. Und ich beschloss, nun doch noch Plätzchen zu backen, obwohl ich tags zuvor behauptet hatte, die Küche sei dazu zu klein und zu unpraktisch. Ich hatte endlich begriffen, dass es an mir selbst lag, ob ich mich hier wohlfühlte oder nicht. Und als ich ein paar Tage später Mehmet auf der Treppe traf, nahm ich auch noch die letzte Hürde. Ich entschuldigte mich bei ihm für mein Misstrauen und lud ihn für den nächsten Sonntag zum Tee ein.
Inzwischen sind wir längst in eine größere und schönere Wohnung am anderen Ende der Stadt umgezogen. Aber Mehmet, seine zweite Frau und das Baby, die jetzt in unserer alten Wohnung leben, besuchen uns noch immer regelmäßig. Wir sind Freunde geworden … ja, ich glaube, das kann man so sagen.
In einem Bericht bin ich kürzlich über das Wort ‘schwadronieren‘ gestolpert und war erstaunt, denn seit Jahren ist es mir nicht mehr begegnet.
Schwadronieren, diesen Ausdruck hat mein Großvater gerne gebraucht, wenn er sich über Leute ärgerte, die den Mund recht voll nahmen. Wer schwadroniert, der schweift bei seinen Erzählungen gerne aus, beschreibt lebhaft, oft aufdringlich, prahlt gerne, überzieht seine Rednerzeit oder quatscht einem etwas auf, so wie mancher Verkäufer es tut. Das Wort wird also meist abwertend gebraucht.
Synonyme für schwadronieren sind z.B. faseln, quatschen, bafeln, parlamentieren, labern, sülzen, salbadern und eine ganze Menge anderer Wörter, die so lautmalerisch daherkommen.
Aber woher rührt dieses Wort eigentlich? Schwadron – das hat doch eigentlich was mit Militär zu tun? Eine Schwadron Kampfflieger z.B. oder mehrere Kreiegsschiffe im Verbund …
Aus dem Etymologisches Wörterbuch erfährt man, dass sich das Verb tatsächlich vom Begriff ‘Schwadron‘ ableitet.
Im 17. Jahrhundert verstand man unter einer Schwadron eine Einheit zu Pferd (eine Kavallerie). So eine Schar von Reitersoldaten zog in sogenannten Schwadronen umher. Und landeten sie dann am Ende des Tages in den Kantinen ihrer Regimenter, ließen sie sich meist ausschweifend und prahlend über ihre Heldentaten aus.
Im 18. Jahrhundert erhielt das Verb in der Sprache der Studenten die Bedeutung des wilden und planlosen Fechtens, tatsächlich und auch im übertragenen Sinne als Wortgefecht. Spätestens jetzt galt ein ‘Schwadroneur‘ als Aufschneider und Schwätzer, der herumschwadroniert.
Schade eigentlich, dass dieses interessante und auch irgendwie geheimnisvoll anmutende Wort nur noch so selten gebraucht wird …
Mordermittlung Fiktion und Realität Ein kleiner Einblick in die reale Polizeiarbeit
Ein Gastbeitrag von Mara Laue
Der Ablauf einer Mordermittlung
WICHTIG: Polizeigesetz ist Bundesländersache. Das heißt, dass die Dienst- und Ermittlungsvorschriften bis auf einige allgemeingültige Dinge von Land zu Land und manchmal sogar von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind.
Ein der Polizei gemeldeter Leichenfund wird erst einmal wertneutral als Todesfall bzw. Leichenfund behandelt und auch so bezeichnet. Stellt sich heraus, dass Fremdverschulden vorliegt, wird der Todesfall zum Tötungsdelikt, wobei immer noch offen bleibt, ob es sich um einen vom Täter schuldhaft verursachten Unfall, Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag oder tatsächlich Mord handelt.
Erst wenn aufgrund der Spurenlage (oder Zeugenaussagen oder einem Geständnis) mit größter Wahrscheinlichkeit vom Vorsatz des Täters ausgegangen werden kann, wird der Fall zu einem Mordfall.
Irgendwann nach der Tat wird der Tote von jemandem gefunden, der/die dann die Bereitschaftspolizei über Rufnummer 110 über den Leichenfund informiert. Die Polizei bittet den Finder, vor Ort auf deren Eintreffen zu warten. Danach rückt ein Streifenwagen mit in der Regel (mindestens) 2 Beamten aus und nimmt den Tatort in Augenschein. Dabei wird zunächst nur festgestellt, ob es sich soweit auf den ersten Blick erkennbar um einen Unfall, einen Selbstmord oder Fremdeinwirkung handelt. Ist Letzteres der Fall, wird das zuständige Kriminalkommissariat verständigt.
Dieses Kommissariat hat von Ort zu Ort bzw. Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Bezeichnungen z. B. Fachkommissariat 1, kurz FK 1 (Niedersachen), Kriminalkommissariat 11, kurz KK 11 (NRW) oder Dezernat 11 (Sachsen). Diese Abteilungen ermitteln aber keinesfalls nur bei Mord dieses Verbrechen kommt sooo häufig nun doch nicht vor sondern auch bei Entführungen, Brandermittlungen, Bandenkriminalität, Vermisstensachen, Sexualdelikten, Kindesmisshandlungen u. a.
Geschieht der Leichenfund in der Nacht, wird der zuständige Ermittler aus dem Bett geklingelt, der Bereitschaftsdienst hat. Der KDD = Kriminaldauerdienst, der für die Nachtschicht zuständig ist, existiert nur in relativ wenigen Großstädten. In allen anderen halten die zum Bereitschaftsdienst eingeteilten Beamten nach Dienstschluss ihre Telefone/Handys empfangsbereit, um notfalls in der Nacht zum Tatort zu eilen.
Steht fest, dass es sich um Mord handelt, wird eine Mordkommission kurz MK (in Niedersachsen Moko) gegründet, die aus Beamten verschiedener Abteilungen besteht. Je nachdem welchen mutmaßlichen oder offensichtlichen Hintergrund die Tat hat, werden auch Beamte aus den für Raub, organisierte Kriminalität oder anderen Abteilungen mit einbezogen sowie fast immer ein Pressesprecher, der auch bei den zweimal täglich stattfindenden Dienstbesprechungen anwesend ist.
Eine Mordkommission besteht immer aus einem relativ großen Stab von Leuten. Wie viele eingesetzt werden, hängt vom Fall ab; aber es sind in jedem Fall sehr viel mehr als nur die 3 bis 4, die in den Filmen und den meisten Büchern als vollständige MK präsentiert werden. Ihre Zahl liegt IMMER im zweistelligen Bereich. Ein erfahrener Ermittler wird (in der Regel vom Dienststellenleiter) zum Leiter der MK ernannt und ist offizieller Ermittlungsleiter. Dieser stellt den Rest des Ermittlungsteams zusammen, wobei aber jedes Teammitglied Vorschläge machen kann, wer noch mit dabei sein sollte.
Übrigens: Eine ständige Mordkommission in immer derselben Besetzung, wie uns das in nahezu allen Krimiserien vorgegaukelt wird, gibt es in Deutschland nicht. Für jeden Einzelfall wird eine eigene MK gebildet. Darin kommen zwar ab und zu immer wieder dieselben Kollegen zusammen, aber die Gesamtbesetzung wechselt. Auch ist der MK-Leiter nicht immer derselbe.
Eine Soko ist eine Sonderkommission, die ausschließlich für besondere Fälle (z.B. Entführungen) oder für alle mit einem bestimmten Fallkomplex zusammenhängenden Fälle gebildet und nach dem Abschluss dieses einen Falles/Fallkomplexes wieder aufgelöst wird. Sie ist personell erheblich größer als eine Moko und besteht manchmal aus den MKs verschiedener Städte. Die Sokos aus den gleichnamigen Fernsehserien sind in Wahrheit nichts anderes als stinknormale (personell unterbesetzte) Mordkommissionen.
Nach dem Fund der Leiche werden die Zeugen befragt. Augenzeugen werden zunächst vor Ort interviewt, die dann später zur Unterzeichnung eines entsprechenden Protokolls ins Präsidium kommen müssen. Wenn es keine Augenzeugen gibt, wird eine Haus-zu-Haus-Befragung durchgeführt (wenn der Mord in bewohnter Gegend geschah), bei der etliche Beamte mit Schreibblöcken bewaffnet sämtliche Anwohner/Nachbarn befragen. Anhand der Spuren und der Befragungen verdichtet sich dann ein Bild, das auf den/die Täter/innen hinweist. Sind genug Beweise zusammengetragen, erfolgt eine Vernehmung (siehe Teil 3) und evt. eine Festnahem. Der Staatsanwalt entscheidet dann über die Anklageerhebung.
Ermittlungen (nicht nur bei Mord) werden grundsätzlich IMMER im Team erledigt. Den klassischen Einzelermittler à la Kommissar Maigret gibt es schon lange nicht mehr. (Selbst Privatermittler arbeiten so gut wie nie allein.)
Die Ermittlungen bzw. die spätere Beweisführung läuft ab nach den berühmten 6 W = Wer hat Was, Wann, Wie, Warum und Womit getan? (evt. auch noch mit wem) Anders ausgedrückt: der mutmaßliche Täter muss sowohl die Gelegenheit zur Tat wie auch ein Motiv dafür haben und in der Lage gewesen sein, sie zu begehen. Er muss also zur Tatzeit vor Ort gewesen sein (können), einen handfesten Grund für die Tat haben, und er muss von seinen Kenntnissen, Lebensumständen, Zugangsmöglichkeiten zum Tatwerkzeug und körperlichen Möglichkeiten her in der Lage gewesen sein, die Tat zu begehen. Nur eins dieser Dinge reicht für eine Beschuldigung bzw. Festnahme nicht aus. Der berühmte Satz aus dem Vorspann einer (nebenbei grauenhaften!) Vorabendkrimiserie Sie haben ein Motiv und kein Alibi! ist nach realem Recht und Gesetz zwar ein Grund für einen Anfangsverdacht, rechtfertig aber noch lange keine Festnahme. Und der im Zorn vor Zeugen geäußerte Satz Ich bring ihn um! allein (!) hat in der Realität noch niemanden in U-Haft und meistens noch nicht mal in Verdacht gebracht.
Die Ermittler setzen sich in der Regel zweimal täglich morgens und nachmittags/abends zur Dienstbesprechung zusammen, in denen sie sich gemeinsam über die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen austauschen. In der Zeit dazwischen trägt jeder Ermittler seine Erkenntnisse in seinen PC ein. Die Computer einer Dienststelle sind alle miteinander vernetzt, so dass jeder Ermittler jederzeit den aktuellen Stand des Falls abrufen kann (und das auch mehrmals täglich tut).
Herrin des gesamten Ermittlungsverfahrens ist die Staatsanwaltschaft. Die Beamten der Moko sind nichts anderes als (Achtung: Amtsdeutsch!) Erfüllungsgehilfen der Staatsanwaltschaft. Der zuständige Staatsanwalt kann auch die Ermittlungsrichtung vorgeben, d. h. bestimmen, gegen wen ermittelt wird und gegen wen nicht (mehr). Er/sie wird ständig über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten. In einigen Städten ist es üblich, dass er sogar bei den Dienstbesprechungen anwesend ist. Dies ist aber optional.
Ist der Täter gefasst, endet die Arbeit der Moko aber noch lange nicht. Es werden in den folgenden Wochen (!) alle Beweise überprüft, ob sie tatsächlich zwingend auf den mutmaßlichen Mörder hinweisen oder ob noch andere Personen infrage kommen. Schon mancher Verdächtige hat aus Angst, um jemanden zu decken oder anderen Motiven heraus ein falsches Geständnis abgelegt. Handelt es sich bei dem Mord nicht um z. B. eine Beziehungstat, wird das Schema der Tat auch mit anderen Taten bundesweit abgeglichen, um zu prüfen, ob der Täter nicht vielleicht ein Serienmörder ist. Ist die Beweiskette lückenlos, wird sie schriftlich und bildlich so aufgearbeitet, dass sie für den Richter logisch nachvollziehbar ist und keine Fragen/Unklarheiten offen bleiben. Diese Aufbereitung dauert ca. 2 bis 4 Wochen (je nach Fall), in Einzelfällen (z. B. im Fall Mirko) auch sehr viel länger.
Bei einer Mordermittlung beträgt die Arbeitszeit jedes einzelnen Mitglieds der Mordkommission 12 bis 16 Stunden TÄGLICH an 7 Tagen in der Woche. Urlaube, Geburtstagsfeten, Jubiläumfeiern usw. sind dann vorläufig gestrichen. Einzige Ausnahme: Hochzeitstermine müssen NICHT verschoben werden, die Hochzeitsreise aber schon.
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Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung der Autorin Mara Laue hier veröffentlicht. Er ist Lektionstext ihrer Schreibkurse. Weitere Lektionen gibt es zu folgenden Themen:
1. Der trügerische Schein der Fiktion 1
2. Der Ablauf einer Mordermittlung 4
2.1 Feststellung der Identität/Anschrift 7
2.2 Grenzübergreifende Ermittlungen 8
3. Tatortarbeit 11
4. Obduktion 13
5. Vernehmung und Befragung 16
5.1 Aufzeichnung 18
6. Festnahme 20
7. Hausdurchsuchung 22
8. Waffenrecht 24
9. Der verliebte Kommissar 26
10. Wissenswertes und Interessantes 27
11. Nachwort 31
12. Literaturverzeichnis/Quellennachweis 32
Mehr zu Mara Laue, ihrem Buch ‘Von der Idee zum fertigen Text’ und ihren Internet-Schreibkursen finden Sie hier
Die Anthologie zum Literaturpreis ‘Grassauer Deichelbohrer’ 2019 ist erschienen.
Die 33 Kurzgeschichten zum Thema NÄHE, die dieser Band für Sie bereithält, ergeben eine spannende, bunte Sammlung von Krimis, Liebesgeschichten und Skurrilen Erzählungen, die es 2019 auf die Longlist des ‘Grassauer Deichelbohrers’ schafften.
ISBN Buch: 978-3-946280-60-6
308 Seiten – Preis: 12,99 €
ISBN E-Book: 978-3-946280-57-6
ASIN: B07K6JDNNL – Preis: 5,99 €
Wer mehr über den Literaturpreis erfahren will, findet hier weitere Informationen.
Shortlist des ‘Grassauer Deichelbohrer’ mit acht Titeln steht fest
Die fünf Juroren haben sich entschieden und aus den 34 Geschichten der Longlist die acht Texte ausgewählt, die ihnen am besten gefallen. Und hier sind sie, die acht Gewinner, geordnet nach dem Alphabet der Vornamen.
Die Reise Andreas Weidmann
Glockengasse 13 Armena Kühne-Enzinger
Nachts–Allein–Im Wald Cornelia Koepsell
Haikus David Jacobs
Duft sterbender Bücher Heidi Lackner
Schall und Rauch Janika Rehak
Findelfell Julia Kersebaum
Ich fühle was, was du nicht fühlst Manuel Zerwas
Die drei Erstplatzierten aus den acht Gewinnern bleiben vorerst noch geheim. Im Rahmen einer Gala werden sie am 26. Oktober 2019 um 19:30 Uhr in Grassau in der Villa Sawallisch bekanntgegeben. Den Abend moderieren die beiden Autorinnen und Jurymitglieder Angeline Bauer und Constanze Wilken. Für die musikalische Begleitung sorgen die Pianistin Beatrice von Kutschenbach und der Tenor Udo Scheuerpflug.
Am 25. Oktober um 19:30 Uhr lesen alle acht Gewinner ebenfalls in der Villa Sawallisch ihre Kurzgeschichte vor.
Die Anthologie, in der alle 35 Geschichten der Longlist vertreten sind, wird rechtzeitig zur Gala am 26. Oktober erscheinen.
Es hat 308 Seiten. Die Druckversion kostet 12,99 €, das E-Book 5,99 €
Buch – ISBN 978-3-946280-60-6
E-Book – ISBN 978-3-946280-59-0
Heute, am 19. August, begehen Hobby- und Profi-Fotografen aus der ganzen Welt den Welt-Foto-Tag (World Photo Day). Der australische Fotograf Korske Ara hat ihn im Jahr 2010 ins Leben gerufen.
Dass der Welt-Foto-Tag ausgerechnet heute gefeiert wird, hat historische Hintergründe. Am 19. August 1839 erwarb die Pariser Akademien der Wissenschaften und der schönen Künste das Patent für die ‘Daguerreotypie‘ und stellte es der Allgemeinheit zur Verfügung. Bei der Daguerreotypie handelt es sich um das damals übliche fotografische Verfahren, bei dem Metallplatten verwendet wurden.
Der heutige Welt-Foto-Tag ist allerdings nicht der einzige ‘Ehrentag‘ der Fotografie. In Amerika wird jedes Jahr am 29. Juni der Tag der Kamera (National Camera Day) gefeiert. Auf den jeweils letzten Sonntag im April fällt der Tag der Lochkamera-Fotografie, und am 15. Juni eines jeden Jahres wird der Tag der Naturfotografie (National Nature Photography Day) begangen.
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