In meiner Reihe ‚seltene oder vergessene Wörter‘ möchte ich hier das Wort ‚Grisette‘ vorstellen – für Autoren und Leser historischer Romane sicherlich von Interesse.
Der Ausdruck kommt aus dem Französischen und bezeichnete ursprüngliche einen grauen (frz. Gris) feinfädigen, leichten Kammgarnstoff.
In der französischen Literatur erhielt der Begriff im 19. Jahrhundert eine weitere Bedeutung. Da junge, unverheiratete Frauen niederen Standes – z.B. Putzmacherinnen, Näherinnen oder Fabrikarbeiterinnen – der Kleiderordnung dieser Zeit gemäß ein schlichtes Gewand aus solchem grauen Stoff zu tragen hatten, nannte man nun nicht mehr nur den Stoff, sondern gleich die ganze Frau ‚Grisette‘.
Gewöhnlich gehörten diese Frauen der oberen Unterschicht an, verdienten nur wenig Geld, das gerade mal zum Überleben reichte, und hatten keine Chance zu heiraten oder gesellschaftlich aufzusteigen. Da haben sich manche von ihnen wohl von einem reichen Gönner ausführen und ‚Geschenke‘ machen lassen. Vor diesem Hintergrund blieb es nicht aus, dass man unter einer ‚Grisette‘ bald schon ein ‚leichtfertiges‘ Mädchen verstand.
In Franz Lehars Operette ‚Die lustige Witwe‘ gibt es im dritten Akt ein Chanson, in dem Grisetten eine Rolle spielen. Da singen sechs junge Frauen, in deren Gesellschaft sich Graf Danilo über seinen Liebesschmerz hinwegzutrösten versucht: „Ja, wir sind es, die Grisetten von Pariser Kabaretten – Lolo, Dodo, Jou-Jou, Frou-Frou, Clo-Clo, Margot …“, und dazu tanzen sie einen Chan-Chan. Das Libretto stammte von Victor Léon und Leo Stein, die es nach einer Vorlage von Henri Meilhacs Lustspiel L’attaché d’ambassade aus dem Jahr 1861 verfasst hatten.
Unter ‚Grisette‘ versteht man also einen grauen Kammgarnstoff, eine Putzmacherin, Näherin oder eine Arbeiterin und ein leichtfertiges Mädchen. Es gibt aber auch eine Pastetenart diesen Namens – die ‚Grisette Pastete‘‘, auch ‚Verkehrte Pastete‘ genannt. Sie wird von Hühnerfrikassee, Kalbfleisch, Speck, altbackenen Semmeln und mehreren anderen Zutaten wie Butter, Kräuter und Gewürze zubereitet. Das Rezept findet man unter anderem in ‚Kochen anno Dazumal – Stettiner Rezepte‘ von P.H. Jones oder in: ‚Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon‘.
Den Ausdruck Grisette findet man u.a. im Englischen, Französischen, Italienisch und Isländischen. Aber auch im Polnischen ist er bekannt, dort sagt man ‚Gryzetka‘.
Wie auch immer – es ist ein schönes altes aber bei uns bereits ausgestorbenes Wort, das in alten Kochbüchern oder der Literatur des 19. Jahrhunderts zu finden ist und heute noch in Lehars berühmtester Operette ‚Die lustige Witwe‘ auftaucht.