21. Februar – Internationaler Tag der Muttersprache

Muttersprache ist für mich wie für den Töpfer ein Klumpen Ton, und Schreiben kann so aufregend sein, wie diesen Ton zu formen und dabei zuzusehen, dass etwas Wunderbares daraus entsteht. Wie wie wichtig die Muttersprache ist, merkt man aber oft erst, wenn man im Ausland lebt und dort in einer fremden Sprache ‘herumrödelt’, sich nicht in allen Feinheiten ausdrücken kann.

Selbst nach einem langen Autorenleben gibt es noch besondere oder unbekannte Wörter zu entdecken! Was halten Sie von Bloderkirsche statt Sauerkirsche? Oder von Blitzzwiebelblau? Dieses phantasievolle Wort bezeichnet eine Blautönung der Haut, wie sie nach Schlägen oder bei langanhaltender Kälte auftritt. Ein Blochschuh ist ein Holzschuh, ein Donnerstrahl ein Blitz, der von einem lauten Donnerschlag begleitet wird. Und unter einem Kaffeköpfchen versteht man eine ‘kleine Plauderei’. Besonders liebe ich aber den Ausdruck ‘Wortsalat’ für ein unverständliches Durcheinander von Worten.

Leider scheint es heutzutage als schick und gebildet zu gelten, möglichst viele Fremdwörter zu benutzen – warum sonst ist unsere Sprach von so vielen ‘Anglizismen’ durchsetzt? Das schlimmste Wort, das seit ein paar Jahren vor allem im Radio zu hören ist: Singer-Songwriter – und dann noch in der weiblichen Form ‘Singer-Songwriterin’! Ein englischer Ausdruck verdeutscht, weil es im Englischen keine weibliche Form dafür gibt. Warum um Himmels willen sagt man nicht einfach Liedermacher und Liedermacherin? Oder Texter und Sänger? Das ist kein bisschen umständlicher, dafür aber nicht so lächerlich.

Zu den deutschen Wörtern, die in andere Sprachen Begeisterung finden, gehören u.a. das Wort ‘Kindergarten’, für das die englische Sprache keinen Ausdruck kennt, oder ‘Fernweh’, für das es seltsamerweise in der niederländsichen Sprache kein Wort gibt.

Es bestehen allerdings auch ein paar deutsche Wörter, die ich gar nicht mag,  allen voran das Wort ‘dämlich’. Ich habe es vollständig aus meinem Wortschatz gestrichen. Denn denkt man einmal darüber nach, was es bedeutet und bringt es in Bezug zu ‘herrlich’, müsste frau es sofort auf die Liste der Unwörter setzen!

Ein Wort, das leider einen schlechten Ruf bekommen hat, ist das Wort ‘Heimat’. wortschatzIn den Köpfen vieler Menschen wird es verkitscht oder sogar mit politschen Strömungen in Verbindung gebracht. Dabei bezeichnet es doch den Ort, wo wir uns zuhause und sicher fühlen und wo wir unsere Wurzeln haben. Unter Umständen kann das sogar in der Fremde sein …

 

Und hier noch ein bisschen Statistik:

Die Gesamtgröße des deutschen Wortschatzes umfasst laut Wikipetia je nach Zählweise 300.000 bis 500.000 Wörter. Davon werden in der deutschen Standardsprache etwa 75.000 Wörter benutzen, Ableitungen und Wortbildungen nicht mitgerechnet. Ein erwachsener Muttersprachler verfügt Schätzungen zufolge über einen Wortschatzumfang von 3.000 bis 216.000 Wörtern. Die Engländer haben einen etwas größeren, die Franzosen einen etwas kleineren Wortschatz, was jedoch nicht bedeutet, dass ihre Sprache deshalb ‘reicher’ oder ‘ärmer’ ist.

PS: In einigen Artikeln weiter unten habe ich seltene und aussterbende Wörter beschrieben, wie zum Beispiel Sappralott, adies, Plümont (Plumeau) oder Paraplü.

Unser Balkon gehört den Vögeln

Schreiben ist einsame Arbeit. Ich sitze jeden Tag mindestens sechs Stunden am PC, oft länger. Ich habe keine Kollegen, sehe niemanden, bin alleine mit mir, meinen Protagonisten und Gedanken.

Das ist anders, seit ich ein Vogelhäuschen auf dem Balkon installiert habe, auf das ich von meinem Arbeitsplatz blicken kann.

Zuerst gab’s nur im Winter Futter, weil ich zu wissen glaubte, dass man Vögel nicht ganz-jährig füttern soll. Dann hörte ich im Radio einen Beitrag eines Ornithologen, der sagte, dass diese Meinung inzwischen überholt sei. Zu viel Grasland zubetoniert, zu viele Bäume gefällt. Vögel brauchen unsere Unterstützung auch ganzjährig.

Ich fing an, den Sommer über zu füttern. Das hat sich bei den Piepmätzen schon bald her-umgesprochen, und sie kamen in ganzen Familienverbänden, um zu fressen und zu saufen. Aus dem Vogelhäuschen wurde eine Futterstation und schließlich eine Art ‚Freiflugvoliere‘ mit PVC-Boden, der sich leicht säubern lässt und anderen ‚Vogelannehmlichkeiten‘.

Jetzt gehört unser Balkon den Vögeln, und ich habe eine riesen Freude daran, mal eine Denkpause einzulegen und die Piepmätze dabei zu beobachten, wie sie ihre Jungen füttern, wie sie sich um die besten Körner streiten, wie sie ganz unterschiedlich fressen. Am ge-schicktesten sind die Meisen, die ihre ‚Beute‘ zwischen ihren Krallen und der Balkonbrüs-tung einklemmen, um Krümel davon abzuhacken. Es kommen aber auch Amseln, Spatzen, Buchfinken, mal ein Rotkehlchen oder sogar ein Specht vorbei.

Nun bin ich nicht mehr so allein beim Arbeiten – da macht es mir auch nichts aus, dass ich zweimal die Woche den Futterplatz säubern muss und ich von meinen Vögeln kräftig aus-gepiepst werde, wenn ich mich dabei nicht spute.

Glosse – Klecksi Schreiber hat Post bekommen

Den Satz: “Ich wollte auch schon immer mal einen Roman schreiben!”, hören Autoren oft. Und meist kommt dann noch: “Da kann man sich wenigstens seine Zeit einteilen und kreativ sein!” Als ob der Tag eines Schriftstellers plötzlich 48 Stunden hätte. Natürlich kann man nachts schreiben, dann muss man allerdings tagsüber schlafen … na ja. Und das mit der Kreativität ist auch so ein Ding. Gerade wenn man regelmäßig für Zeitschriften schreibt, so wie ich, hat man sich an einen ganzen Vorgabenkatalog zu halten! Kollegin Klecksi ging es ebenso …

Als Contra ins Zimmer kam, saß Klecksi am Tisch und grübelt trübsinnig vor sich hin. “Was’n los?” fragte sie.
“Das ist los!” Klecksi deutete auf den Brief, den ihre Lektorin geschickt hatte.
Contra las vor: “Sehr geehrte Frau Schreiber,
leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir nur noch Manuskripte mit 197 860 Zeichen veröffentlichen, bitte kürzen Sie beiliegendes Manuskript entsprechend. Außerdem schicken wir Ihnen vorab schon mal das druckfertige Cover für Ihren nächsten Roman mit. Schneiden Sie ihn genau darauf zu!”
Contra betrachtete das Bild. “Aha”, sagte sie. “Folglich muss die Heldin blond sein, ER schwarzhaarig, in der Geschichte muss ein Flugzeug, ein Berg, ein Apfelbaum und eine Rose vorkommen – denn all das ist auch auf dem Cover.”
“Genau”, knurrte Klecksi. “Jetzt sag mir mal, zum Donner und Kanonenrohr, wie soll ich da noch kreativ sein?!” Klecksi zitterte vor Empörung.
Eine Weile war es still. Contra kringelte eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger, ein Zeichen, dass sie nachdachte. Schließlich streckte sie sich und fragte: “Warum? Ich meine, was hindert Dich daran, kreativ zu sein? Das blöde Foto etwa?”
“Na, ich bitte dich! Bei all den Vorgaben!”, fauchte Klecksi.
Contra zog die rechte ihrer Augenbrauen hoch und sah Klecksi sehr von oben herab an. “Ich dachte, du bist eine Profiautorin!”
“Bin ich ja auch!”
“Ich dachte, als Profi darf dir keine Aufgabe zu schwer sein?”
“Papperlapapp. Meine Figuren tun was sie wollen. Sie lassen sich nicht in ein Schema pressen! Außerdem braucht eine Schriftstellerin nun mal ihre dichterische Freiheit!”
“Blödsinn.” Contra verschwand im Bad und kam mit einem alten Seidenstrumpf zurück. Den hielt sie Klecksi hin. “Also, nun sei mal kreativ. Was kannst Du damit alles machen?”
“Was soll man mit einem alten Strümpfen schon groß machen!”, zischte Klecksi.
“Siehst du, das ist ja die Kunst. Beweise mir deine Kreativität.”
“Nun, ich könnte ihn mir über den Kopf ziehen und dann bei meiner Lektorin einbrechen, um ihr mit Wonne eines über die Rübe ziehen.”
“Könntest du. Würde dir vielleicht eine gewisse Befriedigung verschaffen, wäre aber nicht unbedingt klug. Vergiss nicht, es kommt selten was Besseres nach – also, was noch?”
Klecksi grübelte. “Ich könnte lauter alte Strümpfe sammeln, aus Stoff eine Puppe nähen und die dann mit den alten Strümpfen ausstopfen.”
“Na siehste, wird ja schon! – Weiter!”
“Könnte ihn mit etwas Tee füllen und in die Teekanne hängen – als Teesieb! Allerdings erst, wenn er gewaschen ist!” Klecksi hielt sich bedeutsam die Nase zu. “Oder ich könnte mein Frittenfett durchgießen, damit die Rückstände rausgefiltert werden.”
“Gut, gut! Und?”
Klecksi grinste: “Ich könnte ihn auch als Kondom benutzen – allerdings nur, wenn ich unbedingt schwanger werden will!”
Contra verdrehte die Augen. Und dann fragte Klecksi: “Aber was bezweckst du mit der Fragerei?”
Contra antwortete mit einer Gegenfrage: “Na, hättest du all diese wahnsinnig praktischen Erfindungen gemacht, wenn ich dir nicht `nen alten Strumpf vorgehalten hätte? Nee! Und daran siehst du, wie kreativ wir wirklich sind zeigt sich erst, wenn wir Vorgaben bekommen! Auf jeden Fall aber ist die Vorgabe kein Hinderungsgrund. Bloß musst du dann bereit sein, ein wenig von dem abzurücken, was dir immer so wichtig war.”
Contra stand bereits an der Tür. Ihren alten Strumpf hatte sie sich inzwischen als Schleife ins Haar gebunden. Jetzt hob sie die Hand und winkte. “Also Tschüs, Klecksi, bis nächstes Mal!” Sie zog die Tür hinter sich zu.
“Arrogante Besserwisserin!” zischte Klecksi und zerknüllte den blöden Brief.

klecksi-schreiber-briefkasten
Klecksi Schreiber hat Post bekommen