Spanische Hofreitschule Wien

Wieso eigentlich ‚Spanische‘ Hofreitschule, wo sie doch zu den bedeutendsten Kulturgütern Österreichs zählt und eine echte Wiener Institution ist?

Dieser Name bezieht sich auf Ferdinand I. Er stammte aus dem Geschlecht der Habsburger und war ein Bruder Kaiser Karl V. Am 10. März 1503 wurde er in Alcalá de Henares bei Madrid geboren, wo er auch seine Kindheit und Jugend verbrachte. Erst achtzehnjährig kam er als Erzherzog von Österreich nach Wien, wurde schließlich König von Böhmen, Kroatien und Ungarn und war von 1558 bis zu seinem Tode 1564 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Eingang zur Winterreitschule in der Hofburg mit Fiaker

Ferdinand war ein leidenschaftlicher Reiter und liebte die Pferde seiner Heimat, die einen üppigen Körperbau hatten, dabei aber elegant und wendig waren. Er brachte die ersten spanischen Pferde mit an den Hof.

Einige Jahre später, anno 1580, gründete Erzherzog Karl II. von Innerösterreich das Hofgestüt im Karst in der Nähe des Dorfes Lipica, das damals noch zu Österreich gehörte (heute Slowenien). Er bestückte es mit rund hundert der spanischen Pferde und legte so den Grundstein für die Zucht der Lipizzaner.

In den folgenden Jahrhunderten züchteten die Habsburger Kaiser die Rasse der „Spanische Karster“. Erst ab 1780 nannte man sie ‚Lipizzaner‘. Sie sollten das ideale Pferd für die Kutsche werden, vor allem aber als Schlachtross für Feldzüge dienen. Doch als solche wurden sie letztendlich nie genutzt, dafür schienen sie einfach zu schade.

Stolzer Lipizzaner-Hengst

1681 ließ Kaiser Leopold I. auf dem Tumblplatz eine neue Reitschule errichten. Doch 1683 brachen die Türkenkriege aus, und die Reitschule, die noch nicht einmal fertiggestellt war, wurde schwer beschädigt. Erst fünfundvierzig Jahre später hat man das Projekt wieder aufgenommen und begann mit dem Bau der barocken Winterreitschule im Michaelertrakt der Hofburg. Sie wurde 1735 fertiggestellt und wird seither als solche genutzt. Die Reithalle, bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten, gilt als barockes Juwel und schönste Reithalle der Welt. Architekt war Johann Bernhard Fischer von Erlach, Baumeister sein Sohn Emanuel Fischer von Erlach.

Auf einer Tafel über dem Reitereingang ist seit damals zu lesen, dass sie zum Unterricht und zur Übung der adeligen Jugend, wie auch zur Ausbildung der Pferde für Kunstritt und Krieg errichtet wurde. Doch seit der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen sind die Bereiter nicht mehr ausschließlich adelig, und es sind auch keine Jugendlichen mehr. Aber immer noch wird hier die Hohe Schule der klassischen Reitkunst gelehrt und vorgeführt – bis zum 9. September 2008 ausschließlich von Männern, doch seither sind auch Frauen unter den Bereitern zu finden. Mag sein, das liegt am Einfluss von Frau Elisabeth Gürtler, die seit November 2007 Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule Wien ist. Zum ersten Mal seit Bestehen der Hofreitschule besetzt diesen Posten eine Frau.

Die Spanische Hofreitschule in Wien ist die einzige Institution dieser Art, in der die Tradition der Hohen Schule der klassischen Reitkunst bis zum heutigen Tag ohne Unterbrechung fortgeführt wurde und wird. Und die Kunst der Pferde und ihrer Reiter zählt sogar zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe.

Die Stallburg – hier sind die Hengste untergebracht

Untergebracht sind die Hengste, die zur Ausbildung nach Wien geholt werden, in einem Gebäude, das zum Komplex der Hofburg gehört. Es war eigentlich als Residenz für Ferdinand I. gedacht, doch wurde als solche nie genutzt . Es hatte einige Jahre leer gestanden, und so baute man es kurzerhand zur Stallburg um. Noch heute befinden sich die Stallungen in diesem Gebäude.

 Nicht nur Reithalle

Bereits seit dem 18. Jahrhundert werden in der barocken Reithalle auch Feste gefeiert

Bereits unter Maria Theresia, die 1740 den Thron bestieg, wurden in der Winterreitschule auch Karussells aufgestellt, Maskenfeste, Reiterspiele und Hofbälle abgehalten. In den Jahren 1814 bis 1815, zu Zeiten des Wiener Kongresses, tagten, tanzten und feierten hier internationale Staatsgäste, und 1848, im Jahr der Revolution, tagte der erste Reichstag der Monarchie in der Winterreitschule.

Auch heute finden in der einzigartig schönen, barocken Halle noch große Festivitäten statt. Dann wird sie in ein Farbenmeer getaucht und versprüht einen ganz neuen Zauber.

Die Pferde

Seit 1920 befindet sich das Gestüt nicht mehr in Lipica, sondern (mit Unterbrechung im und nach dem 2. Weltkrieg) in Piber. Piber gehört zur Stadt Köflach im Bezirk Voitsberg in der West-Steiermark. Dort leben die etwa 70 Zuchtstuten mit ihren kleinen Fohlen, und die Hengste, die zum Decken ausgewählt wurden. Auch die ‘Pensionisten’ kehren aufs Gestüt zurück, um ihren Lebensabend dort zu verbringen – so wie Hengst Neapolitano Nima, der am 11. April 2018 bei guter Gesundheit seinen 39. Geburtstag feiern konnte.

Nima war in seiner aktiven Laufbahn in der Spanischen Hofreitschule ein Star und als Levadeur weltweit bekannt. Er ist der älteste registrierte Lipizzanerhengst überhaupt. Dass er dieses hohe Alter erreichen konnte, ist ein Beweis für die gute Haltung der Hengste an der Spanischen Hofreitschule.

N. Nima mit seinem Bereiter Rosteck – er zeigt eine Levade

Wie Hengst Neapolitano Nima erhalten alle Hengste einen Doppelnamen. Um die Linie zu kennzeichnen, die sie fortführen, tragen sie an erster Stelle den Namen ihres Vater. Zusätzlich erhalten sie den Namen ihrer Mutter, um sie so besser von ihren Brüdern unterscheiden zu können. Neapolitano ist also der ‘Stammname’ des Hengstes, genannt wird er jedoch nach seiner Mutter – in diesem Fall Nima.

Auch die Schulhengste, die in Wien ausgebildet und vorgeführt werden, leben nicht das ganze Jahr über in der Hofburg. Von Juni bis Mitte August dürfen sie im Trainingszentrum Heldenberg (NÖ) die Sommerfrische genießen und gemeinsam über Weiden toben.

 

Im Jahr kommen etwa 45 bis 50 Fohlen zur Welt. Anfänglich gab es die Lipizzaner in allen Farben. Erst später beschloss man, des schöneren einheitlichen Bildes wegen, nur noch die weißen Pferde zur Zucht zu nutzen, und natürlich wurden für den Wiener Hof nur die besten Hengste ausgewählt. Bringt die Zucht heute einen andersfarbigen Hengst hervor, gilt er als ‚Glücksbringer‘ und nimmt in dieser Eigenschaft eine Sonderstellung unter den Schul-Hengsten ein. Zur Zucht wird er nicht verwendet.

Apropos – alle Schimmel kommen dunkel zur Welt, haben auch Blessen und andere Abzeichen. Erst im Verlauf der Jahre werden sie weiß. Der Fachbegriff dafür ist ‚ausschimmeln‘.

Sobald die Fohlen sechs bis sieben Monate alt sind, werden sie von ihren Müttern getrennt und bleiben in Gruppen untereinander. Schließlich findet eine Ausmusterung statt, bei der eine Kommission feststellt, welche Stuten und Hengste zur Zucht behalten werden. Alle übrigen werden auf dem freien Markt verkauft.

Die Junghengste leben den Sommer über auf der Stubalm, wo sie auf schwierigem Gelände trittfest werden und Muskeln ausbilden. Eine stark ausgebildete Hinterhand macht später die Arbeit ‚über der Erde‘ (z.B. die Courbette oder die Kapriole) leichter. Am Ende des Sommers gibt es einen ‚Almabtrieb‘, und die zurückkehrenden Hengste werden vom Pfarrer gesegnet.

Die Stuten bleiben auf den Weiden des Gestüts und werden in der Kutsche trainiert, um ihre Leistungsbereitschaft zu prüfen.

Die Hengste genießen ihre Ruhezeit

Die Hengste bringt man im Alter von vier Jahren vom Gestüt Piber nach Wien, um sie dort mit Liebe und Geduld sechs bis acht Jahre auszubilden. Erst dann wird entschieden, ob sie tatsächlich in die Spanische Hofreitschule aufgenommen werden.

Nicht alle Hengste beherrschen alle möglichen Übungen. Die Art und das Ziel ihrer Ausbildung richtet sich ganz nach ihren eigenen Fähigkeiten, die ausgetestet und dann gefördert werden. Bei den Übungen, die sie trainieren, handelt es sich um natürliches Hengstverhalten, das verstärkt wird. In der Natur zeigen Hengste solch imposantes Verhalten, um den Stuten zu imponieren oder gegen Rivalen zu kämpfen. Aus diesem Grund findet man auch keine Stuten oder gar Wallache bei den Vorführungen.

Vorführungen

Immer wenn sie in die Halle einreiten, lüpfen die Reiter ihren Hut. Die Zuschauer mag das wundern; so mancher denkt vielleicht sogar, diese Ehrerbietung gebührt ihm. Aber nein, die Reiter lüpfen ihren Hut vor dem Gemälde Karls de VI., das auf der Schmalseite über der Tribüne hängt.

In der Winterreitschule in der Hofburg in Wien kann man die Pferde und ihre Bereiter bei Vorführungen, aber auch bei der Trainingsarbeit erleben, die von Dienstag bis Freitag durchgeführt wird. Dabei werden die Übungen geritten, die zur Ausbildung gehören und das Ziel haben, die Pferde auf die Vorführungen vorzubereiten.

In der Sattelkammer der Stallburg

Bekommt man keine Karten oder sind einem die Karten zu teuer, kann man auch an einer Führung durch die Reithalle, die Sattelkammer und die Stallungen teilnehmen, was ebenso interessant ist. Und wer im Sommer nach Wien reist, wenn die Hengste ihre Sommerpause auf der Weide genießen, kann durch das Sommerprogramm „Piber meets Vienna“ Einblick in das Gestütsleben der Spanische Hofreitschule erhalten. Hier werden neben jungen, in der Leistungsprüfung stehenden, künftigen Zuchtstuten auch Mutterstuten mit ihren kleinen Fohlen vorgeführt, sowie verschiedene historische Anspannungen mit Originalkutschen und Kutschern in traditionellen Uniformen gezeigt.

Wichtig: Kinder dürfen erst ab einem Alter von 3 Jahren den Vorführungen beiwohnen!

Kartenvorbestellung ist anzuraten. Mehr Information über das genaue Programm und den Kartenvorverkauf finden Sie auf der offiziellen Website.

Anfahrt: U-Bahn – U3 Herrengasse / Straßenbahn – Linie 1, 2, D, 71 Burgring / Bus – 2A, 3A Hofburg / HOP ON HOP OFF – Rote Linie: Staatsoper oder Kunsthistorisches Museum, Heldenplatz

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