In dieses Jahr geht der Blog-Adventskalender, iniziiert von Alex, bereits zum neunten Mal an den Start, und ‚by arp‘ findet ihr diesmal das 3. Söckchen. Darin verbirgt sich als Überraschung die Titelgeschichte der Weihnachtsanthologie „Oje, du fröhliche …“ aus unserem Verlag.
Friederike Costa
„Oje, du fröhliche …“
Wenn Juliane behaupten würde, Oma sei sparsam, dann wäre das sehr höflich ausgedrückt. Oma war ein herzensguter Mensch, aber geizig bis dorthinaus und damit das ideale Opfer für zweifelhafte Werbekampagnen.
Im letzten Jahr wollte eine gewisse Firma, die Handtücher, Geschirrtücher und Tischwäsche vertrieb, am großen Weihnachtsgeschäft teilhaben. Weil aber heutzutage derlei Dinge nicht mehr sehr oft unter den Weihnachtsbaum gelegt werden, musste man sich etwas Verkaufsförderndes einfallen lassen. Das war dann die alte Idee mit den Rabattmarken nur etwas aufgeputzt und modernisiert. An jedem Handtuch, Waschlappen, Geschirrtuch hing eine Wertmarke aus Plastik, die beim Kauf an der Kasse je nach Art und Preis des erworbenen Stückes als zwei, fünf oder zehn Punkte auf eine Art Scheckkarte gestanzt wurde. Für die vollends gefüllte Scheckkarte gab es dann ein mit Weihnachtsmotiven besticktes Tischtuch umsonst.
Das Zauberwort ‚umsonst‘ traf Oma mitten ins Herz. Wenn es etwas umsonst gibt, dann muss man doch zugreifen. „Es wäre doch geradezu Verschwendung, wenn man‘s nicht täte!“ Sagte es und sah Juliane festen Blickes an.
Oma beschloss die Chance zu nutzen. Sie kaufte sofort zehn Handtücher und zehn Waschlappen und staunte dann, dass sie nur achtundfünfzig Punkte bekam, wo sie doch hundert für ein Tischtuch benötigte. Sie hätte so gerne gleich das ‚Tischtuch-Umsonst‘ mitgenommen!
Die Verkäuferin tröstete sie: „Die Scheckkarte behält ihren Wert bis Ende des Jahres, solange geht ihnen kein Punkt verloren!“
„Und dann?“, wollte Oma alarmiert wissen.
„Ab 6. Januar sind die Punktekarten ungültig.“
„Wie? Alle Punkte? Dann kriegt man nichts mehr dafür?“
„Nein, leider nicht. Aber bis 5. Januar für jede volle Karte eins von den wunderschönen Tischtüchern mit Weihnachtsmotiv!“ Verbindliches Lächeln.
Oma ging nach Hause. Sie hatte ihr ganzes Geld für Handtücher und Waschlappen ausgegeben. Mehr als hundert Euro! Da musste sie dann eben morgen noch mal kommen, nachdem sie auf der Bank gewesen war.
Am nächsten Tag ging Oma wieder in dieses Kaufhaus, kaufte weitere zehn Handtücher und freute sich schon auf ihre Tischdecke. Aber die Verkäuferin schüttelte den Kopf.
„Ein Punkt zu wenig, gute Frau, da müssen Sie noch etwas nehmen!“
Oma holte einen Waschlappen. Aber nun hatte sie zwei Punkte zu viel, und das wäre doch Verschwendung gewesen! Also gab sie ein Handtuch zurück, tauschte es durch drei Waschlappen aus, doch dann fehlten wieder ein Punkt. Sie versuchte es mit einem Waschlappen mehr, hatte wieder einen Punkt zu viel – wie sie es auch drehte und wendete, die Rechnung ging einfach nicht auf!
Oma nahm zehn Handtücher und einen Waschlappen und ließ sich den übergebliebenen Punkt auf eine neue Karte stanzen. Dann nahm sie glücklich ihre mit Weihnachtsmotiven bestickte Tischdecke samt derHandtücher und Waschlappen entgegen und ging nach Hause.
Aber der übergebliebene Punkt bereitete ihr Kopfzerbrechen. Welch gottlose Verschwendung, den Punkt einfach so mir nichts dir nichts zu verschenken! Oma, sonst sehr gesellig und immer zu Späßen aufgelegt, war plötzlich verschlossen und schließlich kaum noch anzusprechen. Sie hatte einige schlaflose Nächte hinter sich und machte uns ernsthafte Sorgen. Auf Julianes Frage, was ihr so zusetzte, antwortete sie aber immer nur: „Kann ich nicht sagen, hat etwas mit Weihnachten zu tun!“
Wenn Sorgen sich ums Christkind drehen, dann dringt man nicht weiter in einen, dann schweigt man diskret. Also schwieg Juliane – zumal Oma ja auch am Tag darauf wieder viel glücklicher aussah. Wie die Familie später erfuhr, hatte sie sich da bereits zum Kauf weiterer zwanzig Handtücher und etlicher Waschlappen durchgerungen. Und diesmal ging es sogar auf. Gottlob! Denn sonst hätten ihre Lieben statt der vierzig Handtücher und weißnichtwievielen Waschlappen an diesem Weihnachten vielleicht achtzig oder gar hundert unter dem Christbaum gefunden! Immer fünfstückweise verpackt, mit einem Kärtchen an einer Schleife, auf dem jeweils stand:
Für Sandra – in Liebe, Oma.
Für Julian – in Liebe, Oma.
Für meine geliebte Tochter Juliane – in Liebe, Oma.
Sogar Omas Urenkelin, die fünfjährige Marie, bekam in diesem Jahr vom Christkind fünf Handtücher geschenkt.
Frohe Weihnachten – Hallelujah!
Das nächste Söckchen findet ihr auf einem der drei folgenden Blogs