Die einen tun’s mit 63, die anderen mit 65 oder älter. Wieder andere hängen gerne noch ein paar Jährchen dran, falls man sie lässt – in Rente gehen!
Auch ich werde demnächst eine kleine Rente erhalten, dank Vater Staat und KSK, die uns Künstlern zu unseren Rentenbeiträgen den Arbeitgeberanteil einbezahlten. Große Sprünge lassen sich damit natürlich nicht machen.
Für mich bedeutet ‚Rente‘, dass zum ersten Mal in meinem Leben an jedem Ersten des Monats gesichert Geld aufs Konto kommt, und das wird sich verdammt gut anfühlen!
Zum Thema Rente fällt mir aber eine ganz andere Geschichte ein. Auf einer unserer vielen Türkeireisen erzählte der Reiseleiter auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel dies und das über Land und Leute. Unter anderem wusste er zu berichten, warum so viele halbfertige bzw. dachlosen Häuser, den ländlichen Straßenrand säumten. Zuerst, erzählte er, wird das Erdgeschoss gebaut, in dem die Familie wohnt und ihre Kinder großzieht. Sind die Kinder erwachsen, kommt ein zweites Stockwerk drauf, in das dann die jungen Leute mit ihrer neugegründeten Familie einziehen. Im Gegenzug versorgen sie ihre Eltern, denn die gehen bereits mit 50 oder 55 Jahren in Rente (natürlich ohne eine Rente zu beziehen, so wie wir das kennen).
Diese Information löste ein A und O aus und es wurde gelacht und gehöhnt: „Das würde ich auch gerne, mit 50 schon in Rente gehen!“ So nach dem Motto: Faule Türken.
Zwei Tage später haben mein Mann und ich eine kleine Wanderung unternommen. Nicht rechts oder links am Strand entlang, sondern geradewegs ins Landesinnere. Kaum hatten wir den Ort hinter uns gelassen, befanden wir uns schon im ‚tiefsten Hinterland‘. Kleine, ärmliche Höfe, Hühner und dürre Kühe, Pinienwäldchen neben staubige Straßen.
Nach etwa einem Kilometer kamen wir zu einem kleinen Friedhof. Friedhöfe besuchen wir gerne, denn man erfährt auf ihnen so einiges über Land und Leute. Zum Beispiel beobachteten wir einmal auf einem anderen türkischen Friedhof eine Familie, die auf einer Grabplatte Picknick hielt. Vielleicht hatte ihr Vorfahre an diesem Tag Geburtstag oder gab es Anderes zu feiern. Jedenfalls fanden wir das interessant, und es hat uns gefallen.
Auf dem Friedhof, auf dem wir bei unserem Spaziergang gelandet waren, fiel uns auf, dass die meisten Leute, die dort lagen, nicht älter als 55 oder 60 Jahre geworden waren – kaum mal jemand, der 70 oder 80 Jahre gelebt hatte. Da war auf uns einmal klar, warum die Landbevölkerung mit 50 oder 55 Jahren ‚in Rente‘ ging. Natürlich bekam keiner von ihnen ein neues Herz oder auch nur teure Medikamente. Man lebte, arbeitete, und wenn man sehr krank wurde starb man, so Allah wollte.
Das zeigt mal wieder, dass alles relativ ist und man ein Land nur kennenlernt, wenn man die üblichen Trampelpfade verlässt.
In die Türkei reisen wir heute nicht mehr, aus Prinzip und Überzeugung. Und das ist schade, denn wenn man die üblichen Touristenpfade verlässt, erlebt man ein wunderschönes, gastfreundliches Land.
Tipp: Falls Sie gerade anfangen, als AutorIn zu arbeiten und keinen Brotjob haben, erkundigen Sie sich über eine Versicherung bei der KSK (Künstlersozialkasse).