Matthias Brandt, Jörg Thomas und die ‘Krankenakte Robert Schumann

Genie und Wahnsinn liegen oft dicht beieinander – das bringen Matthias Brandt und Jörg Thomas den Zuschauer ihres Theaterstücks ‘Krankenakte Robert Schumann‘ so eindringlich nahe, dass man stellenweise das Gefühl hat, es nicht länger aushalten zu können. Ein derartig beeindruckendes Theaterstück, das einen Blick in die Un-Tiefe der menschlichen Seele öffnet, wird man nicht oft erleben können. Mir jedenfalls wird es für immer unvergessen bleiben.

Fünf Menschen brauchte es, um so eine Explosion an Emotionen auf die Bühne zu bringen. Matthias Brand – in meinen Augen der beste deutsche Schauspieler, den wir zurzeit haben. Jens Thomas – Sänger, Liedermacher, studierter Jazz-Pianist und einer der wenigen, die das Obertonsingen beherrschen. Der Schriftsteller Peter Härtling, der mit seiner Roman-Biografie „Schumanns Schatten“ die literarische Vorlage lieferte. Jörg Handstein, der nach Peter Härtlings Roman den Text zu diesem Stück schrieb. Und natürlich den Komponisten Robert Schumann selbst, dessen Schicksal zutiefst berührt.

Sinfonien, Ouvertüren, Konzerte und die Oper Genoveva zählen zu Robert Schumanns Werken, seine Lieder und Klavierstücke gehören bis heute zum Repertoire großer Sänger und Klaviervirtuosen.

Eigentlich wollte er Pianist werden. Doch einer Handverletzung wegen musste er diese Laufbahn aufgeben und sich aufs Komponieren verlegen. Er gründete in Leipzig die „Neue Zeitschrift für Musik“ und heiratete Clara Wieck, die Tochter seines Klavierlehrers, die selbst eine berühmte Pianistin wurde. Ihr Vater war gegen diese Heirat, deshalb musste Schuman sich die Erlaubnis zu dieser Ehe vor Gericht erstreiten.

Schumanns psychische Instabilität, die immer wiederkehrenden depressiven Schübe und Zustände nervöser Erschöpfung führten am Rosenmontag des Jahres 1854 zu einem Selbstmordversuch. Er ging ins Wasser, wurde jedoch gerettet und daraufhin in die private ‘Irrenanstalt‘ des Arztes und Psychiaters Franz Richarz eingewiesen, wo er, von Halluzinationen und Tobsuchtsanfällen gepeinigt, schließlich verstarb.

Es ist dieses dunkle Kapitel aus dem Lebens des Komponisten, dem sich der Schauspieler und Musikliebhaber Matthias Brandt in ‘Schumanns Krankenakte‘ widmet. Das Theaterstück ist schwer zu benennen. Matthias Brandt liest und wird dabei von Musik begleitet – und doch ist es keine Lesung. Obwohl er fast durchwegs sitzt, spielt Brandt. Er spricht, stöhnt, flüstert, schreit, stottert und lacht. Der Klang seiner Stimme schwankt dabei zwischen Aggressivität und Schwermut und transportiert so Wahnsinn, Verzweiflung, Einsamkeit und die Sehnsucht des Menschen Robert Schumann.

 

Matthias Brandt wurde als jüngster Sohn seiner Eltern Willy und Ruth Brandt in Berlin geboren, wo er auch heute noch mit Frau und Tochter lebt. Er war an einigen renommierten deutschsprachigen Theatern engagiert und stand in mehr als 70 Filmen vor der Kamera. Für seine schauspielerischen Leistungen wurde er u. a. mit dem Deutschen Schauspielerpreis, dem Bayrischen Fernsehpreis, dem deutschen Hörbuchpreis, dem Adolf-Grimme-Preis, dem Bambi, der Goldene Kamera und dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet.

Am Flügel begleitet wird Matthias Brandt von Jens Thomas, der an der Musikhochschule Hamburg Jazz-Klavier studierte. Mit Klaviermusik, Gesang und Obertongesang untermalt er den Textvortrag Brandts auf eine Weise, die den Abend zu einem besonders intensiven Hörerlebnis werden lässt. Auch Jens Thomas, der internationale Konzerte gibt und viele CDs veröffentlicht hat, wurde mit Preisen ausgezeichnet und ist in Theaterproduktionen in Deutschland und dem Ausland zu erleben.

Die literarische Vorlage lieferte der am 10. Juli 2017 verstorbene Schriftsteller Peter Härtling. Seine Roman-Biografie „Schumanns Schatten“ ist 1996 bei Kiepenheuer & Witsch erschien. Nach dieser Vorlage verfasste der Musikwissenschaftler, Autor und Kritiker Jörg Handstein eine Hörbiografie mit dem Titel ‘Die innere Stimme‘ und schuf damit die Textvorlage für das Bühnenstück des Duos Brandt & Thomas.

Das schauspielerische Können Matthias Brandts ist die eine Sache – die andere ist die bemerkenswerte schriftstellerische Leistung von Jörg Handstein, dem es gelang einen Monolog von 75 Minuten immer wieder auf den Punkt zu bringen und von da aus einen neuen Ausgangspunkt und Anlauf für den weiteren Text zu schaffen. Als Autorin weiß ich, wie schwer es ist, die Fäden über einen langen Text hinweg in der Hand zu behalten – erstrecht bei einem Stück, das an sich handlungsarm ist, weil es sich vollkommen auf die Innenwelt eines Protagonisten bezieht.

Jörg Handstein schreibt regelmäßig für die Programmhefte der Orchester und Chöre des Bayerischen Rundfunks und gilt beim Bayerischen Rundfunk als Spezialist für Hörbiografien.

Wer noch Gelegenheit bekommt, diese ergreifende Vorstellung mit Matthias Brandt und Jens Thomas zu erleben, sollte es sich nicht entgehen lassen. Hier verbindet sich das Können dreier großartiger Künstler – Matthias Brandt, Jens Thomas und Jörg Handstein – zu einem faszinierenden Abend, der einen tiefen Blicke in die menschliche Seele gewährt.

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