Beate Rygiert war nach dem Studium der Theater-, Musikwissenschaft und italienischen Literatur in München und Florenz einige Jahre Theaterdramaturgin. Schließlich wagte sie den Sprung in die künstlerische Selbstständigkeit und erhielt einige Preise, wie den Würth-Literaturpreis und den Thomas-Strittmatter-Drehbuchpreis. Sie lebt im Schwarzwald, in Stuttgart und mehrere Monate im Jahr in Andalusien. Als wir uns treffen, arbeitet sie gerade in ihrem Haus im Schwarzwald an ihrem siebten Roman. Es ist ein sonniger Spätnachmittag. Blumen blühen in ihrem Garten, eine Katze streicht durchs Gebüsch und nimmt Reißaus, als Beate mit einem Tablett auf die Terrasse kommt. Sie serviert Kaffee und legt ihr neuestes Buch auf den Tisch. Druckfrisch, gerade erst erschienen!
„Ich bin ein glücklicher Mensch, denn ich lebe meinen Traum“, sagt sie dabei und streicht dabei fast zärtlich über das Cover. Ein lustiger, buntgemalter Hund ist zu sehen, darüber der Titel: Herzensräuber. „Ich bin Vollzeit-Schriftstellerin und das seit vielen Jahren“, fährt sie fort. „Auch mein Mann ist Schriftsteller und darum verstehen wir die Lebenswelt des anderen. Denn das Schreiben ist nicht nur ein Beruf, es ist eine Berufung, ein Lebensstil. Ich bin einfach nur glücklich, wenn ich Geschichten erzählen darf und wenn diese die Herzen meiner Leser berühren!“
Wie sie zum Schreiben kam möchte ich wissen.
„Einerseits früh – und doch auch wieder spät. Als Zwölfjährige schrieb ich in mein Tagebuch: „Eigentlich möchte ich Schriftstellerin werden. Ich sollte dabei bleiben!“ Das erzählt sie mit einem Lächeln. „Seit ich denken kann, habe ich Geschichten erzählt. Zum Beispiel im Handarbeitsunterricht in der Grundschule, wo meine Lehrerin bald merkte, dass die anderen Kinder ganz still und brav wurden, wenn sie mich einfach erzählen ließ. Dafür hat sie stillschweigend meine fallengelassenen Maschen gerettet und auch die eine oder andere Handarbeit für mich fertiggestellt.“
„Und weshalb wurde der Plan dann doch erst einmal nicht umgesetzt?“, hake ich nach.
Sie zuckt mit den Schultern. „In meiner Familie sagte man nicht: Wenn ich groß bin werde ich Schriftstellerin, das war einfach undenkbar. Und da ich sehr musikalisch war, mir Sprachen leicht fielen, wählte ich Musik und Französisch als Leistungsfächer beim Abitur und belegte danach die Fächer Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft und Italienische Literatur an der LMU in München. Schließlich erhielt ich ein Stipendium, um in Florenz ein Semester zu studieren. Die Zeit in Florenz hat meine Sicht auf die Welt sehr verändert: Ich sog die Kunst dort nur so in mich auf und ebenso die modernen italienischen Romanautoren wie Umberto Eco, Italo Calvino, Antonio Tabucchi, um nur einige zu nennen. Sie beeinflussten später mein Schreiben, ebenso wie die südamerikanischen Erzähler Mario Vargas Llosa, Jorge Luis Borges und Gabriel Garcia Marquez.“
Nach dem Studium arbeitete Beate Rygiert, wie bereits erwähnt, einige Jahre als Operndramaturgin an verschiedenen Theatern. Hier flossen alle ihre Interessen zusammen: die Geschichten, die Musik, die Kunst in der Ausstattung usw. Dennoch wurde ihr bald klar, dass ihr dieser Beruf zu wenig kreativ war. Und dann sagte sie sich: Entweder du redest dein Leben lang darüber, dass du eigentlich Schriftstellerin sein möchtest, oder du wage das jetzt. Sie kündigte und schrieb ihren ersten Roman – unter Entbehrungen, doch gefördert durch ein Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg.
„Mein erster Roman ‚Bronjas Erbe‘ erschien 2000 bei Claassen“, sagt sie und dann: „Der Rest ist Geschichte. Seither lebe und arbeite ich als freie Autorin. „Herzensräuber“ ist mein sechster Roman.“
Beate Rygiert entschuldigt sich für einen Moment, geht hinaus und kommt bald darauf mit zwei Gläsern Rotwein zurück. „Den habe ich aus Spanien mitgebracht. Den trinken wir nur zu besonderen Gelegenheiten.“
„Dann ist das jetzt eine besondere Gelegenheit?“
„Na klar!“ Wir lachen und stoßen auf ihr neues Buch an.
Wie sie ihre Themen findet, will ich noch wissen.
„Sie liegen sozusagen in der Luft. Das Leben selbst schreibt viel verrücktere Geschichten als wir Autoren. Es sind vor allem, die Charaktere, die mich faszinieren. In „Herzensräuber“ ist es ein Hund, der die Geschichte erzählt. Das Buch hätte ich nie geschrieben, wenn nicht vor Jahren dieses wunderbare Wesen auf vier Pfoten in mein Leben getreten wäre und mich von Grund auf geändert hätte! Leider ist meine Schnauzer-Mischlingshündin Cookie, die mich zu dieser Geschichte inspiriert hat, inzwischen im Hundehimmel. In Zola, dem spanischen Straßenhund, der bei dem Heidelberger Antiquar Tobias ein neues Zuhause findet, lebt ein Teil von ihr jedoch weiter, deshalb ist mir dieses Buch ganz besonders wichtig. Bei Tobias lernt Zola die Welt der Bücher kennen, die er „Herzensräuber“ nennt, weil er die Menschen in willenlose, abwesende Wesen verwandelt, was er schwer verstehen kann.“
„Hast du ein Foto von Cookie?“, frage ich.
Beate bringt mir eins. Wir stecken die Köpfe zusammen, reden und lachen noch lange, bis sich der Abend zu Ende neigt.
Wie schön, vielen Dank für den schönen Bericht! Ich denke noch gerne an unser Treffen. Das müssen wir unbedingt wiederholen. Viele Grüße von Beate