Vorurteile und Missverständnisse zwischen E-Bikern und anderen Radfahrern

Um es gleich mal vorwegzunehmen: E-Bikes sind höchst selten unterwegs. Gemeint sind eigentlich Pedelecs, wenn Leute von E-Bikes sprechen. Der Unterschied: Ein E-Bike (auch S-Pedelec) zählt zu den Kleinkrafträdern (Fahrrad mit Hilfsmotor) und fährt bis zu 45 Studenkilometer! Das Mindestalter des Fahrers beträgt 16 Jahre, sie brauchen einen Führerschein der Klasse AM, und es besteht Helmzwang. Die Bikes benötigen außerdem ein Versicherungskennzeichen.

Wir fahren ein Pedelec (Pedal Electric Cycle), also ein Fahrrad, dessen Elektromotor den Fahrer nur dann unterstützt, wenn er gleichzeitig selbst in die Pedale tritt, und das auch nur bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Danach schaltet der Motor automatisch ab. Auch muss man auf Steigungen in Schwung bleibt, sonst `verhungert` der relativ schwache Motor, und man bleibt stehen.

Mit diesen Rädern haben wir kürzlich die Alpen überquert, und zwar auf dem ‚Alpe-Adria-Radweg‘. Eine wunderschöne Radreise, die nur zu empfehlen ist – aber das ist ein anderes Thema. Hier soll es um die ‚Feindschaft‘ zwischen Radfahrern und Pedelec-Fahrern gehen, die wir auf unserer Radreise wieder einmal zu spüren bekamen.

Was ist passiert? Nicht nur einmal haben wir gehört, wie ‚sportliche‘ Radfahrer im Vorbeifahren abfällige Bemerkungen machten:

„Schon wieder E-Biker!“ Oder: „E-Bikes sollte man verbieten!“

Das heftigste hörten wir einmal, als wir nach einer Kaffeepause aufstiegen: „Wenn die selber nimmer können, sollen s’e halt daheimbleiben!“ Da habe ich mir vorgenommen, hier auf meinem Blog mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen …

Ein Pedelec ist ein sehr schweres Rad. Meines wiegt knapp 27 Kilo. Dazu kommen etwa 20 Kilo Gepäck (Akkulader und einige Dinge, die man braucht oder sich ‚gönnt‘, wenn man älter ist). Heißt, man bewegt zu seinem eigenen Gewicht also noch knapp 50 Kilo zusätzlich.

Ein ganz normales Stadtrad wiegt etwa 17 Kilo, ein Rennrad zwischen sieben und acht Kilo, ein Mountainbike zwischen 9 und 13 Kilo – und einziges Gepäck ist bei Rennradlern oder Mountainbikern ein kleiner Rucksack, denn Gepäckträger gibt es gar nicht.

Ein Pedelec hat 8 Gänge und drei oder vier Stufen, wobei die erste Stufe (Eco) nicht viel mehr als den Ausgleich zu einem normal schweren Rad bringt – und wie gesagt, das Pedelec schaltet bei 25 Stundenkilometern den Motor automatisch ab, wobei man mit schwerem Gepäck sowieso selten mal eine solche Geschwindigkeit erreichen kann.

Ein Bergrad hat 21 Gänge, ein Rennrad etwa ebenso viele, manche gar 30. Ich denke, damit stehen sie einem Pedelec in nichts nach bzw. haben wir Pedelec-Fahrer es nicht unbedingt leichter.

Hinzu kommen die verschiedenen ‚Ansprüche‘, die Radfahrer haben. Pedelecfahrer wollen die Landschaft genießen, also mit dem Rad die Welt bereisen. Berg- oder Rennradfahrer verstehen sich als Sportler und setzen sich Ziele, die mit Zeit und Kraft zu tun haben und wettbewerbsorientiert sind.

Apropos – der deutsche Ironman Jan Frodeno, der 2018 die Weltbestzeit bei der härtesten Sportart der Welt hält – die Triathlon-Langdistanz – sagte bei einem Interview mit FOCUS Online: “(…) das ist wie E-Bike fahren. Jeder, der das Elektro-Rad verteufelt, saß noch nie auf so einem Spaßgerät. Wenn man aber mal auf so einem Glücksrad saß, kann man sich nichts anderes mehr vorstellen. Okay, außer man möchte 2019 erneut Triathlon-Weltmeister werden …..”

Und der Abenteurer Robert Mohr hat mit einem E-Bike eine Weltreise gewagt. Ist seine Reise weniger anerkennenswert, nur weil er auf einem E-Bike fuhr?

Ein Pedelec kann man übrigens auch ‘sportlich‘ fahren, was wir gerne und oft tun. Dann schaltet man den Motor entweder aus (aufgrund des Gewichts ist das aber nur auf der Ebene anzuraten) oder man fährt auf ‚eco‘ (economy), das entspricht etwa dem Fahren auf einem normalen Stadtrad. Der Vorteil bleibt, dass man auf Steigungen die Möglichkeit hat, mehr Kraft zuschalten, was eine tolle Hilfe ist, gerade wenn man ein kaputtes Knie hat.

Noch ein Erlebnis möchte ich an dieser Stelle beschreiben. Auf einer kurzen, steilen Steigung hatten wir zwei Männer vor uns, die nebeneinander fuhren und somit keinen Platz zum Überholen ließen. Für uns bedeutete das: Entweder klingeln, damit wir an den beiden vorbeiziehen konnten, oder absteigen und an die 50 Kilo bergauf schieben, wobei die sogenannte Schiebehilfe an einem Pedelec eher ein Witz ist. Wir haben geklingelt und uns damit sehr böse Blicke eingefangen, als die Herren sahen, dass wir ein Pedelec fuhren. So nach dem Motto: Wir müssen uns hier abstrampeln, und die auf ihren E-Bikes klingeln auch noch frech, um an uns vorbeizufahren! Dabei sollte es doch eigentlich selbstverständlich sein, dass man auf Steigungen oder vor unübersichtlichen Kurven nicht nebeneinander fährt.

Wieder zu uns: Wir sind 66 Jahre alt. Seit einem Radunfall habe ich ein kaputtes Knie, und Rückenprobleme haben wir beide. Trotz dieser körperlichen Defizite und den damit einhergehenden Schmerzen wollen wir aktiv sein und bleiben. Unsere ‘Kontrahenten‘ sind meist (weit) unter 40 und (noch!) gesund, und wir wünschen ihnen von ganzem Herzen, dass sie es lange bleiben.

Fazit: Egal welches Rad man fährt, bei einem freundlichen Miteinander und gegenseitiger Rücksichtnahme können wir alle unser gemeinsames Hobby, das Radfahren, ganz ohne Ärger genießen.

Eine Fotostrecke über die Tour, auf der Sie sehen können, was Sie unterwegs so alles erwartet, können Sie hier anschauen:

 Fotostrecke Alpe-Adria-Radtour